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Halo

Halo

Titel: Halo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Adornetto
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normal aussehenden Jungen, den ich aus der Schule kannte – ein ziemlich unauffälliger Schüler mit mittelmäßigen Noten, der Mitglied im Schachclub war. Unter seinen Augen lagen keine Schatten, und seine Augen selbst waren auch nicht schwarz wie die der anderen, sondern hatten ein helles Grün. Trotz seiner frischen Erscheinung sah er mitgenommen aus.
    Jake legte dem Jungen die Hand auf den Kopf. «Hab keine Angst», schnurrte er beruhigend. «Ich bin hier, um dir zu helfen.»
    Langsam malte er über dem knienden Jungen wirbelnde Zeichen in die Luft. Aus meiner hockenden Stellung sah ich, wie der Junge Jakes Handbewegungen folgte und dann in die Menge blickte, um die Ernsthaftigkeit der Situation einzuschätzen. Vielleicht fragte er sich, ob dies zu irgendeinem Initiationsritus gehörte, den er über sich ergehen lassen musste, um in die Gruppe aufgenommen zu werden. Ich fürchtete jedoch, dass es um etwas sehr viel Schlimmeres ging.
    Einer der Anhänger reichte Jake ein Buch. Es war in schwarzes Leder gebunden, und die Seiten waren vom Alter ganz vergilbt. Ehrfürchtig hielt Jake das Buch in die Höhe und schlug es auf. Sofort fuhr eine Windböe durch die Bäume und wirbelte den Staub um die Grabsteine. Ich kannte das Buch.
    «O nein», flüsterte ich.
    «Was?» Xavier sah das Buch erschrocken an. «Was ist das?»
    «Ein Zauberbuch», sagte ich. «Ein Buch der schwarzen Magie. Es enthält Anweisungen, wie man Geister beschwört und die Toten erweckt.»
    «Du machst doch Witze …» Xavier sah aus, als wolle er sich selbst kneifen, um aus diesem Albtraum zu erwachen, in den er so unerwartet geraten war. Einen Moment lang erschrak ich darüber, wie unschuldig er war, und mir wurde beinahe schlecht vor Schuldgefühlen, dass ich ihn in diese Sache mit hineingezogen hatte. Doch ich durfte jetzt nicht den Kopf verlieren.
    «Das ist ein schlechtes Zeichen», sagte ich. «Diese Bücher sind sehr mächtig.»
    Jake stand immer noch auf dem Grab und begann heftig zu atmen, je schneller und eindringlicher er aus dem Buch las. Er breitete seine Arme aus. «Exorior meus atrum amicitia quad vindicatum is somes.» Er sprach Latein, doch anders, als ich es je gehört hatte. Es klang modifiziert, und irgendwie wusste ich, dass dies die Sprache der Unterwelt war. «Is est vestri pro captus», sang Jake, und seine Hände griffen in die Luft.
    «Was sagt er?», flüsterte Xavier. Ich stellte überrascht fest, dass ich die Bedeutung der Worte ganz leicht übersetzen konnte.
    «Tritt hervor, mein dunkler Freund, und nimm dir diesen Körper. Er gehört dir.»
    Seine Anhänger sahen Jake mit angehaltenem Atem zu. Niemand rührte sich, niemand sagte ein Wort, niemand wagte den unnatürlichen Prozess zu unterbrechen.
    Xavier saß so gebannt neben mir, dass ich seine Hand berühren musste, um mir zu versichern, dass er immer noch bei Bewusstsein war. Wir zuckten beide zusammen, als ein Geräusch wie von einem sich spaltenden Stein die Luft durchbrach, und mussten beide den Drang unterdrücken, uns die Ohren zuzuhalten. Es war ein kreischendes Geräusch, als würden Nägel über eine Tafel gezogen. Plötzlich brach es ab, und eine schwarze Rauchwolke strömte aus dem Mund des großen Steinengels. Sie senkte sich zu Jake herab und schien in sein Ohr zu flüstern. Jake packte den Kopf des Jungen und drückte ihn nach hinten, wobei er ihn zwang, den Mund zu öffnen.
    «Was machst du da?», rief der Junge.
    Die schwarze Wolke schien sich einen Augenblick in der Luft hin und her zu schlängeln, dann stürzte sie in den geöffneten Mund des Jungen und seine Kehle hinab. Jake ließ ihn los, und der Junge stieß einen kehligen Schrei aus. Er griff sich an den Hals und kratzte sich am Körper, während er in Krämpfen zu Boden fiel. Sein Gesicht war schmerzverzerrt. Xaviers Arm zitterte vor Wut.
    Der Junge blieb still liegen. Einen Moment später setzte er sich auf und blickte sich um. Sein verwirrter Gesichtsausdruck verwandelte sich in Freude. Jake reichte ihm eine Hand und zog ihn auf die Füße, und der Junge streckte und reckte sich, als entdeckte er seinen Körper zum ersten Mal.
    «Willkommen zurück, mein Freund», sagte Jake, und als der Junge sich umdrehte, sah ich, dass seine grünen Augen kohlrabenschwarz geworden waren.
    «Ich kann nicht fassen, dass ich das nicht vorher erkannt habe», sagte ich und vergrub den Kopf in meinen Händen. «Ich habe mich mit ihm angefreundet, ich wollte ihm helfen … ich hätte doch spüren müssen,

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