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Halo

Halo

Titel: Halo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Adornetto
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Phantom schmiegte sich an meine Beine. In dem Glauben, dass ich außer Hörweite war, diskutierten meine Geschwister in der Küche weiter.
    «Ich kann einfach nicht glauben, dass sie aus einer Laune heraus alles auf Spiel setzen will», sagte Gabriel. Ich hörte ihn hin und her laufen.
    «Du weißt, dass Bethany das niemals absichtlich tun würde», versuchte Ivy ihn zu beschwichtigen. Sie hasste es, wenn es zwischen uns Spannungen gab.
    «Was tut sie denn dann? Hat sie denn überhaupt keine Ahnung, warum wir hier sind? Ich weiß, sie ist unerfahren, aber sie rebelliert bewusst und ist dickköpfig. Ich erkenne sie gar nicht wieder. Jede Versuchung stellt für uns eine Prüfung dar. Wir sind erst seit wenigen Wochen hier, und schon erliegt Bethany dem Charme eines hübschen Jungen.»
    «Hab Geduld, Gabriel. Wir kommen weiter, wenn …»
    «Sie strapaziert meine Geduld!», sagte er, riss sich aber gleich wieder zusammen. «Was rätst du?»
    «Lass es auf sich beruhen, und es wird sich von selbst erledigen; halte sie auf, und es wird der Situation eine Wichtigkeit verleihen, für die es sich zu kämpfen lohnt.»
    Gabriels Schweigen verriet, dass er Ivys kluge Worte abwog.
    «Sie wird bald einsehen, dass das, was sie begehrt, unmöglich ist.»
    «Ich hoffe, du hast recht», sagte Gabriel. «Siehst du jetzt, warum mir ihre Teilnahme an der Mission Sorge bereitet hat?»
    «Sie widersetzt sich uns nicht freiwillig», sagte Ivy.
    «Nein, aber die Heftigkeit ihrer Gefühle ist für einen von uns unnatürlich», sagte Gabriel. «Unsere Liebe für die Menschen sollte distanziert sein – wir lieben die Menschlichkeit, nicht einzelne Personen. Bethany scheint tief und bedingungslos zu lieben – wie ein Mensch.»
    «Das habe ich bemerkt», sagte meine Schwester. «Das bedeutet, dass ihre Liebe stärker ist als unsere, aber auch gefährlicher.»
    «Genau», sagte Gabriel. «Solche Gefühle können oft nicht beherrscht werden – wenn wir zulassen, dass sie sich entwickeln, haben wir sie vielleicht bald nicht mehr unter Kontrolle.»
    Ich wollte nichts mehr hören und schlich in mein Zimmer, wo ich mich den Tränen nahe aufs Bett warf. Diese Welle der aufgestauten Gefühle ließ mich überrascht nach Luft schnappen. Ich wusste, was geschah: Ich machte mir das Körperliche zu eigen und alle Gefühle, die damit einhergingen. Ich fühlte mich unsicher und schwankend, wie in einer schaukeligen Achterbahn. Ich konnte das Blut spüren, das mir durch die Adern floss, die Gedanken, die in meinem Kopf hin und her schossen, meinen Magen, der sich vor Frustration zusammenzog. In meinem Kopf ging alles durcheinander. Ich hasste es, dass meine Geschwister über mich sprachen, als wäre ich eine Art wissenschaftliches Experiment. Und ihre Unterstellung, dass ich etwas falsch machte, und ihr mangelndes Vertrauen in mich wühlten mich auf. Warum waren sie so entschlossen, mich von der menschlichen Beziehung fernzuhalten, nach der ich mich sehnte? Und was genau meinte Ivy mit «unmöglich»? Sie benahmen sich, als wäre Xavier ein Verehrer, der ihren Maßstäben nicht gerecht wurde. Wer waren sie, dass sie über etwas richteten, das noch nicht einmal begonnen hatte? Xavier Woods mochte mich. Aus irgendeinem Grund fand er, dass ich seine Aufmerksamkeit verdiente, und ich hatte nicht vor, ihn von den paranoiden Ängsten meiner Familie vertreiben zu lassen. Ich war erstaunt über meine Bereitschaft, die menschliche Weise, mit der ich mich zu Xavier hingezogen fühlte, anzunehmen. Meine Gefühle für ihn wurden gefährlich schnell stärker, und ich ließ es zu. Das hätte mir Angst machen sollen, aber stattdessen war ich fasziniert von dem schmerzenden Gefühl der Leere in meiner Brust, wenn ich mir vorstellte, ihn gehen lassen zu müssen; von der Art, wie sich meine Muskeln verkrampften, wenn ich mir die Worte meines Bruders wieder ins Gedächtnis zurückrief. Was geschah mit mir? War ich dabei, meine Göttlichkeit zu verlieren? Wurde ich ein Mensch?
    In dieser Nacht schlief ich unruhig und hatte zum ersten Mal einen Albtraum. Ich hatte mich an die menschliche Erfahrung des Träumens gewöhnt, aber das hier war anders. Dieses Mal sah ich mich selbst, wie ich vor das Himmlische Gericht geführt wurde, vor ein Tribunal aus gesichtslosen, mit schweren Roben bekleideten Gestalten. Ich konnte sie nicht erkennen. Ivy und Gabriel waren auch dort, aber sie blickten von einer Galerie auf mich herunter. Ihre Gesichter waren passiv, zeigten keine Gefühle. Sie

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