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Halo

Halo

Titel: Halo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Adornetto
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Liebessonetten verglichen. Jetzt hatten wir die Aufgabe bekommen, eigene Liebesgedichte zu schreiben und in der Klasse vorzulesen. Die fleißigen Mädchen, die noch nie zuvor ihre Phantasie gebraucht hatten, gerieten in Panik. Dies war etwas, das sie nicht im Internet recherchieren konnten.
    «Wir wissen nicht, worüber wir schreiben sollen», jammerten sie. «Das ist zu schwer.»
    «Denken Sie einfach eine Weile nach», sagte Miss Castle mit ihrer träumerischen Stimme. «Es muss nicht persönlich sein.»
    Die Mädchen hatten weiterhin keine Inspiration.
    «Können Sie uns ein Beispiel geben?», drängten sie.
    «Wir haben uns doch seit Wochen Beispiele angesehen», sagte Miss Castle frustriert. «Überlegen Sie, was Sie an einem Jungen attraktiv finden.»
    «Ich finde Intelligenz wichtig», gab ein Mädchen namens Bianca zu.
    «Genau, schließlich muss er ja einmal ein guter Ernährer werden», meldete sich ihre Freundin Hannah zu Wort.
    Miss Castle blieb eine Antwort erspart, da sich jemand aus einer anderen Ecke zu Wort meldete.
    «Leute sind nur interessant, wenn sie dunkel und gestört sind», sagte Alicia, eins der Goth-Mädchen.
    «Miezen sollten nicht so viel quatschen», sagte Tyler von hinten gedehnt. Es war das erste Mal seit Wochen, dass wir ihn etwas sagen hörten, und Miss Castle überhörte großzügig den herabwürdigenden Tonfall.
    «Vielen Dank, Tyler», sagte sie mit sarkastischem Unterton. «Sie haben gerade aufgezeigt, dass die Suche nach einem Partner eine sehr individuelle Sache ist. Manche sagen, dass wir uns nicht aussuchen können, in wen wir uns verlieben. Manchmal verlieben sich Leute in jemanden, der das genaue Gegenteil von dem ist, was sie gesucht hatten. Noch mehr Gedanken?»
    Ben Carter, der die Augen verdrehte und schon die ganze Diskussion über einen gequälten Gesichtsausdruck zur Schau trug, legte sein Gesicht in die Hände.
    «Große Liebesgeschichten müssen tragisch sein», sagte ich plötzlich.
    «Fahren Sie fort», ermutigte mich Miss Castle.
    «Zum Beispiel Romeo und Julia – die Tatsache, dass sie getrennt werden, macht ihre Liebe nur noch stärker.»
    «Na toll – und am Schluss sind beide tot», schnaubte Ben.
    «Wären sie am Leben geblieben, hätten sie sich am Schluss scheiden lassen», meinte Bianca. «Hat jemand von euch bemerkt, dass Romeo höchstens fünf Sekunden gebraucht hat, um von Rosalinde auf Julia umzusteigen?»
    «Weil er vom ersten Augenblick wusste, dass Julia die Richtige ist», sagte ich.
    «Ach, Blödsinn», antwortete Bianca. «Du kannst nach zwei Minuten nicht wissen, ob du jemanden liebst. Er wollte ihr nur an die Wäsche. Romeo ist genauso spitz wie alle anderen Teenager-Jungs.»
    «Er wusste absolut nichts von ihr», sagte Ben. «All seine Lobgesänge drehen sich nur um ihr Aussehen: Julia ist die Sonne und bla bla. Er findet sie einfach scharf.»
    «Ich glaube, dass liegt daran, dass er, nachdem er sie getroffen hatte, alle anderen unbedeutend fand», sagte ich. «Er wusste vom ersten Moment an, dass sie seine ganze Welt sein würde.»
    «O mein Gott», murmelte Ben.
    Miss Castle lächelte mir verständnisvoll zu. Als hoffnungslose Romantikern konnte sie nicht anders, als sich auf Romeos Seite zu schlagen. Anders als die meisten anderen Lehrer auf der Bryce Hamilton, die nach dem letzten Klingeln gar nicht schnell genug auf dem Parkplatz sein konnten, war sie von ihrem Job nicht ausgelaugt. Sie war eine Träumerin. Wenn ich ihr erzählt hätte, dass ich ein himmlisches Wesen auf einer Mission war, die Welt zu retten, hätte sie vermutlich nicht einmal mit der Wimper gezuckt.

[zur Inhaltsübersicht]
    12 Rettung
    Ich hatte Gott noch nie gesehen. Ich hatte seine Gegenwart gespürt und seine Stimme gehört, aber ihm noch nie wirklich gegenübergestanden. Seine Stimme klang nicht so, wie es sich die Menschen vorstellten, nicht dröhnend und hallend, wie es Hollywood-Filme weismachten. Es war eher ein zartes Wispern und zog so sanft durch unsere Gedanken wie ein Luftzug im dichten Schilf. Ivy hatte ihn gesehen. Nur den Seraphim wurde am Hof unseres Vaters Audienz gewährt. Was die Begegnungen mit Menschen betraf, stand Gabriel als Erzengel auf höchster Ebene. Er sah die größten Leiden, die Naturkatastrophen, die Seuchen. Er wurde von Gott Vater angeleitet und arbeitete mit den anderen seines Bundes daran, die Welt in die richtige Richtung zu führen.
    Obwohl Ivy einen direkten Draht zu unserem Schöpfer hatte, konnten wir sie nicht dazu

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