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Hals über Kopf: 9. Fall mit Tempe Brennan

Hals über Kopf: 9. Fall mit Tempe Brennan

Titel: Hals über Kopf: 9. Fall mit Tempe Brennan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathy Reichs
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einmal die Katalogisierung sämtlicher Artefakte und Knochen. Gegen neun verteilten sie die Ausrüstung auf ihre Autos, umarmten einander reihum ein letztes Mal, dann fuhren sie los.
    Ich hatte den üblichen Durchhänger, der immer auf ein Gemeinschaftserlebnis folgt. Natürlich war ich erleichtert. Das Ausgrabungsseminar war ohne größere Katastrophen über die Bühne gegangen, und jetzt konnte ich mich auf Emmas Skelett konzentrieren. Aber die Abreise der Studenten hinterließ in mir auch ein Gefühl der Leere.
    Keine Frage – diese jungen Leute konnten einem ganz schön auf die Nerven gehen. Das unaufhörliche Geplapper. Das Herumalbern. Die Unaufmerksamkeit. Aber meine Studenten wirkten auf mich auch belebend mit ihrem Enthusiasmus und ihrem jugendlichen Überschwang.
    Einige Augenblicke saß ich da und ließ mich von der Stille in Annes Eine-Million-Dollar-Häuschen einhüllen. Merkwürdigerweise wirkte die Stille jedoch bedrohlich, nicht beruhigend.
    Ich ging durchs Haus, löschte alle Lichter und stieg dann die Treppe hoch in mein Zimmer. Dort öffnete ich die Glastüren und war froh über das Geräusch von Wellen auf Sand.
     
    Um halb neun am nächsten Morgen fuhr ich wie auf einer Achterbahn über die Cooper River Bridge, eine steil in die Höhe steigende, postmoderne Konstruktion, die den Mount Pleasant und die vorgelagerten Inseln mit dem eigentlichen Charleston verbindet. Mit ihren gigantischen Stützpfeilern und dem hoch gewölbten Rücken erinnert mich die Brücke immer an einen impressionistischen, zu Stahl erstarrten Triceratops. Die Brücke erhebt sich so hoch über terra firma , dass Anne noch immer mit weißen Knöcheln das Lenkrad umklammert, wenn sie darüberfährt.
    Die MUSC liegt im nordwestlichen Teil der Halbinsel auf halbem Weg zwischen der Zitadelle und der Altstadt. Nach einer Weile auf dem Highway 17 fand ich die Rutledge Avenue und kurvte dann über den Campus bis zu dem Parkdeck, das Emma mir genannt hatte.
    Die Sonne wärmte mir Hals und Haare, als ich schräg über die Sabin Street zu einem mächtigen Backsteingebäude ging, das einfach nur den Namen »Main Hospital«, Zentralkrankenhaus, trug. Dank Emmas Beschreibung fand ich den Eingang zur Leichenhalle, stieg die Rampe hoch und drückte auf einen Kopf neben einer rechteckigen Gegensprechanlage. Sekunden später summte ein Motor, und eins von zwei grau-metallenen Rolltoren ruckelte nach oben.
    Emma sah schrecklich aus.
    Ihr Gesicht war blass, die Kleidung zerknittert. Die Säcke unter ihren Augen waren groß genug für einige Pfund Orangen.
    »Hey«, sagte sie leise.
    »Hey.« Ich weiß, das klingt komisch. Aber so begrüßt man sich im Süden eben.
    »Alles okay mit dir?«, fragte ich und nahm ihre Hand.
    »Migräne.«
    »Das kann auch warten.«
    »Jetzt geht’s mir gut.«
    Emma drückte auf einen Knopf, und knirschend rollte das Tor hinter mir wieder herunter.
    »Ich bleibe in der Stadt«, sagte ich. »Wir können die Sache verschieben, bis du dich wieder besser fühlst.«
    »Mir geht’s gut.« Leise, aber sehr bestimmt.
    Emma führte mich eine weitere Betonrampe hoch. Als der Boden wieder eben wurde, sah ich zwei luftdicht schließende Edelstahltüren, von denen ich annahm, dass sie in die Kühlräume führten. Vor uns war eine normale Tür, durch die man vermutlich in den bevölkerten Teil des Krankenhauses gelangte. Notaufnahme. Geburtshilfe. Intensivstation. Wo fürs Leben gearbeitet wurde. Wir waren auf der Schattenseite. Der Seite der Toten.
    Emma deutete mit dem Kinn auf eine der Metalltüren. »Wir müssen da rein.«
    Wir gingen auf die Tür zu, und Emma zog am Griff. Kalte Luft wehte uns entgegen und brachte den Geruch nach gekühltem Fleisch und Verwesung mit sich.
    Der Raum war knapp dreißig Quadratmeter groß und enthielt ein Dutzend Rollbahren mit abnehmbaren Auflageschalen. Auf sechs davon lagen Leichensäcke, einige ziemlich bauchig, andere kaum gewölbt.
    Emma ging zu einem, der erbärmlich flach aussah. Sie löste die Fußbremse, und ich hielt ihr die Tür auf, damit sie die Bahre hinausschieben konnte.
    Ein Aufzug brachte uns in ein oberes Stockwerk. Autopsiesäle. Umkleideraum. Türen in Räume, die ich nicht genau bestimmen konnte. Emma sagte kaum etwas. Ich belästigte sie nicht mit Fragen.
    Während wir uns umzogen, erklärte sie, heute sei ich am Zug. Ich sei die Anthropologin, sie nur der Coroner. Ich würde die Befehle geben, sie mir assistieren. Später würde sie meine Befunde zusammen mit denen

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