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Hals über Kopf: 9. Fall mit Tempe Brennan

Hals über Kopf: 9. Fall mit Tempe Brennan

Titel: Hals über Kopf: 9. Fall mit Tempe Brennan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathy Reichs
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besiegen. Nichts hilft gegen erweiterte Gefäße im Hirn außer Zeit und Schlaf. Und Medikamente.
    Ich konzentrierte mich wieder aufs Messen. Mach schnell die Größenschätzung, damit Emma nach Hause gehen und sich hinlegen kann. Wenn sie über den Anruf reden wollte, würde sie es tun.
    Ich hörte, wie die Tür aufging, wieder zufiel.
    Ich ging eben von der Osteometrie-Tabelle zu meinem Laptop, als sich die Tür wieder öffnete. Schritte überquerten die Fliesen. Ich gab die letzte Ziffer ein und startete die Berechnung.
    »Ich habe mir die Kleidung angesehen.« Emma stand direkt neben mir. »Kein Gürtel, keine Schuhe, kein Schmuck oder persönliche Kleinigkeiten. Nichts in den Taschen. Die Stoffe sind verfault und die Etiketten kaum noch lesbar, aber ich glaube, die Hose hatte Länge vierunddreißig. Falls es wirklich seine war, dann war der Kerl nicht gerade klein.«
    »Eins siebenundsiebzig bis eins fünfundachtzig.« Ich rückte zur Seite, damit sie sich die Daten auf dem Bildschirm anschauen konnte.
    Emma warf einen kurzen Blick auf die Größenschätzung und ging dann zum Tisch. Sie streckte die Hand aus und streichelte den Schädel.
    »Wer bist du, großer weißer Mann in den Vierzigern?« Emmas Stimme klang sanft, so intim wie die Berührung. »Wir brauchen einen Namen, großer Junge.«
    Der Augenblick war so persönlich, dass ich mir vorkam wie ein Voyeur.
    Aber ich wusste, was Emma meinte.
    Dank einiger nicht gerade präzise recherchierter TV-Serien betrachtet das Publikum DNS-Untersuchungen inzwischen als das glänzende Excalibur der modernen Strafverfolgung. Hollywood hat den Mythos geschaffen, dass die Doppelhelix alle Fragen beantwortet, alle Türen öffnet, jedes Unrecht beseitigt. Haben wir Knochen? Kein Problem. Wir extrahieren, und dann wird’s das kleine Molekül schon richten.
    Leider funktioniert das bei namenlosen Überresten nicht so. Mr. oder Mrs. X existieren in einem Vakuum, sie haben nichts mehr, was sie noch mit dem Leben verbinden könnte. Anonymität bedeutet keine Familie, keinen Zahnarzt, kein Zuhause, in dem man nach einer Zahnbürste oder einem Kaugummi suchen könnte.
    Keinen Namen.
    Mit unserem Profil schickte Emma nun CCCC-2006020277 ins System auf die Suche nach Übereinstimmungen mit dem Vermisstenregister. Falls das Programm eine überschaubare Anzahl von Namen ausspuckte, konnte sie ärztliche und zahnärztliche Unterlagen anfordern und Verwandte um DNS-Vergleichsproben bitten.
    Ich zog den Bund des Gummihandschuhs hoch und schaute auf die Uhr. Viertel vor fünf.
    »Wir sind jetzt schon acht Stunden dran«, sagte ich. »Ein Vorschlag. Wir treffen uns am Montag wieder. Du gibst Ganzkörper-Röntgenaufnahmen in Auftrag. Ich schaue mir die Bilder an und lege die Knochen unters Mikroskop, während dein Odontologe die Zähne bearbeitet. Und dann jagst du das Ganze durchs NCIC.«
    Emma drehte sich um. Im Licht der Neonröhren sah ihr Gesicht aus wie Autopsiefleisch.
    »Ich bin fit wie eine Xanthippe«, sagte sie tonlos.
    »Was ist eine Xanthippe?«
    »Keine Ahnung.«
    »Du gehst jetzt heim.«
    Sie widersprach nicht.
    Draußen war die Luft schwer und feucht. Auf den Straßen herrschte Stoßzeit, Abgase überlagerten die Salzluft, die vom Hafen herüberwehte. Obwohl es erst Mai war, roch die Stadt bereits nach Sommer.
    Nebeneinander gingen Emma und ich die Rampe hinunter. Beim Abschied zögerte sie kurz und öffnete dann den Mund. Ich dachte, sie wollte über den Anruf reden. Stattdessen wünschte sie mir nur ein schönes Wochenende und ging davon.
    Das Auto war ein Brutofen. Ich kurbelte die Fenster herunter und legte eine Sam-Fisher-CD ein. People Living . Melancholisch. Verunsichert. Passte genau zu meiner Stimmung.
    Als ich den Cooper River überquerte, sah ich, dass sich am östlichen Horizont Gewitterwolken auftürmten. Da braute sich etwas zusammen. Ich beschloss, kurz bei Simmon’s Seafood vorbeizuschauen und dann bei mir zu Hause zu essen – Dinner chez moi.
    Der Laden war leer. Stahltruhen präsentierten die Überreste des heutigen Fangs auf Eis.
    Beim Anblick von Schwertfisch richtete sich jede Zelle in meinem Hypothalamus auf.
    Mein Gewissen ebenfalls. Überfischung. Schwindender Bestand. Hände weg.
    Na gut. Außerdem war Schwertfisch ziemlich quecksilberverseucht.
    Ich schaute mir den Zackenbarsch an.
    Kein Moralinsäureausstoß.
    Wie bisher dinierte ich al fresco und ließ mir dabei von der Natur eine Lightshow in drei Akten vorführen. Ich dachte mir

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