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Halskette und Kalebasse

Halskette und Kalebasse

Titel: Halskette und Kalebasse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert van Gulik
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Marmorbrücke. Ihr kunstvoll geschnitztes Geländer war mit Gold überzogen. Auf der anderen Seite erhob sich eine hohe, purpurne Wand mit nur einem einzigen kleinen Tor. Darüber waren gerade noch die mit gelben Ziegeln bedeckten, geschwungenen Dächer eines abgelegenen Palastes sichtbar. Der Eunuch hielt am Fuße der Brücke an. »Ich werde hier auf Sie warten, Doktor!«
    »Warte, bis dir die Beine abfallen, Schafskopf!« sagte die junge Frau bissig. »Aber wage es nicht, einen deiner Plattfüße auf die Brücke zu setzen!«
    Als sie den Richter hinüberführte, erkannte er, daß er nun in den Teil des Palastes kam, in dem die Dritte Prinzessin wohnte und dessen Betreten strengstens verboten war.
    Zwei junge Hofdamen ließen sie in einen geräumigen Hof ein, in dem mehrere junge Frauen unter wogenden Weidenbäumen umherschlenderten. Als diese Schönheiten die Neuankömmlinge entdeckten, begannen sie aufgeregt zu flüstern, wobei die juwelenbesetzten Frisuren ihrer nickenden Köpfe im Mondlicht glitzerten. Richter Dis Führerin geleitete ihn durch eine kleine Seitentür in einen Bambusgarten und weiter auf die dahinter gelegene offene Veranda. Eine gesetzte Matrone richtete Tee an einem Seitentischchen an. Sie machte eine tiefe Verbeugung und flüsterte dem jungen Mädchen zu: »Die ehrwürdige Dame hatte soeben einen schlimmen Hustenanfall.«
    Das Mädchen nickte und brachte den Richter in ein luxuriös eingerichtetes Schlafgemach. Als sie die Tür verriegelte, warf Richter Di einen neugierigen Blick auf das riesige Bettgestell, das den größten Teil der Rückwand einnahm. Davor, dicht bei den Bettvorhängen aus Brokat, stand ein hohes Taburett mit einem kleinen Kissen darauf.
    »Doktor Liang ist da, Mutter«, verkündete die junge Frau.
    Die Bettvorhänge wurden einen knappen Zoll geöffnet, und eine runzlige Hand erschien. Ein Armband aus reiner, weißer Jade, geformt wie ein sich windender Drachen, umgab das dünne Gelenk. Das Mädchen legte die Hand auf das Kissen und stellte sich dann an die verschlossene Tür.
    Richter Di setzte sein Kästchen auf das Taburett und fühlte mit der Spitze seines Zeigefingers den Puls. (Von einer vornehmen weiblichen Patientin dürfen Ärzte nicht mehr als die Hand sehen, und sie müssen die Krankheit aus dem Zustand des Pulses diagnostizieren.) Plötzlich flüsterte ihm die Frau hinter dem Vorhang hastig zu: »Gehen Sie durch die Täfelung links von dieser Bettstelle. Rasch!«
    Überrascht ließ der Richter das Handgelenk los und ging um das Bett herum. In das dunkle Tafelwerk waren drei hohe Felder eingelassen. Sobald er gegen dasjenige ganz in der Nähe des Bettes drückte, schwang es geräuschlos nach innen. Er trat in einen Vorraum, der von einer hohen Stehlampe aus weißer Seide erleuchtet wurde. Unter der Lampe, in der Ecke einer massiven Ebenholzcouch, saß eine Dame und las ein Buch. Der Richter fiel auf die Knie, denn er hatte das gelbe kaiserliche Brokat ihrer langärmeligen Jacke erkannt. Sie waren allein in dem stillen Raum. Das einzig vernehmbare Geräusch war das schwache Knistern des Sandelholzes in dem antiken Bronzebrenner, der vor der Couch stand. Der blaue Rauch erfüllte den Raum mit einem flüchtigen, süßen Duft.
    Die Dame sah von ihrem Buch auf und sagte mit einer klaren, melodischen Stimme:
    »Stehen Sie auf, Di. Die Zeit ist knapp, deshalb sei Ihnen gestattet, auf alle leeren Formalitäten zu verzichten.« Sie legte das biegsame Bändchen auf die Couch und musterte ihn mit ihren großen, besorgten Augen. Er atmete tief ein. Sie war tatsächlich eine der lieblichsten Frauen, die er je gesehen hatte. Ihr blasses Gesicht war ein vollkommenes Oval, eingerahmt von der prächtigen Fülle ihrer kunstvollen Hochfrisur, die durch zwei lange Haarnadeln mit Knöpfen aus durchscheinender, grüner Jade gehalten wurde. Feine Augenbrauenlinien liefen in zwei langen Kurven quer über ihre zarte, hohe Stirn, und der kleine Mund unter der zierlich geformten Nase war kirschrot. Sie strahlte eine große Würde aus und besaß doch gleichzeitig die natürliche Ungezwungenheit einer warmen, aufrichtigen Persönlichkeit. Langsam fuhr sie fort:
    »Ich habe Sie zu mir gerufen, Di, weil man mir sagte, daß Sie ein hervorragender Ermittlungsbeamter und unser loyaler Diener sind. Ich tat es auf diese ungewöhnliche Weise, weil die
     

    Die Dritte Prinzessin gewährt Richter Di eine Audienz
     
    Nachforschungen, mit deren Durchführung ich Sie beauftragen werde, geheim bleiben

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