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Halsknacker

Halsknacker

Titel: Halsknacker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Slupetzky
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geholten Sanitäter den Tod Gustav Watzingers fest. Fraktur des zweiten Halswirbels, so lautet ihre Diagnose.
    »Sehen Sie sich gezwungen, mich jetzt festzunehmen?«, fragt Paul Krutitz (der die dritten Zähne unterdessen wieder in den Mund geschoben hat) den Polivka.
    »Das wird wohl zu vermeiden sein. Ich wüsste keinen Ort, an dem das Recht auf Notwehr angebrachter wär als hier am Heumarkt.«
    Krutitz nickt. Er reicht dem Polivka die Hand und wackelt durch den Gastraum des Cafés dem Ausgang zu. Als er die Karamboltische erreicht hat, bleibt er stehen und zündet sich bedächtig eine Zigarette an. Erst dann verlässt er das Lokal.
    Er ist ein großes, altes Tier, dieser Genosse Pawel Gulag Krutnikow, und er trägt den unaufhaltsamen Niedergang seiner Spezies mit Gleichmut.
    Der Polivka sieht ihm noch lange nach. Und seufzt.

Schobers Glückstag
    D ie Sonne stand schon tief am wolkenlosen Himmel, ihr warmes Licht aber lag noch auf Wäldern und Wiesen, auf den sanft gewölbten, moos- und tannengrünen Hügeln. Die Natur – man konnte es spüren – aalte sich wonnig darin.
    Inspektor Schober hatte keinen Sinn für derlei Wonnen. Er strebte zügig das Fairway entlang, zog den Putter aus der Tasche und betrat das siebzehnte Grün. Schober wirkte konzentriert, seine Miene entschlossen, ja fast schon verbissen: Es war das Gebaren eines jämmerlich einsamen Menschen, der vor sich und der Welt so tut, als wäre ihm nichts willkommener als das Alleinsein.
    Fast ein Jahr lang spielte Schober nun schon Golf. Anfangs hatte er es nur zur Entspannung getan, als Ausgleich zu seinem Dienst im Betrugsdezernat. Später dann, weil ihm das Spiel immer besser gefiel. Nur zu meistern mit einer geradezu magischen Mischung aus Intuition und Kontemplation, ähnelte es frappant seiner Arbeit. Ein eingelochter Ball war wie ein aufgeklärter Fall: Man hatte gezielt und geschlagen, verfehlt und gesucht, gefunden, gehadert, geflucht. Man hatte sogar kurz mit dem Gedanken gespielt, die eine oder andere Regel zu brechen … Letztlich aber hatte man den kleinen Gauner – ganz legal – dahin gebracht, wo man ihn haben wollte: ins Loch.
    Nur: Was zählt der Erfolg ohne Publikum? Was der Triumph, wenn es keinen Applaus dafür gibt? Schobers Kollegen weigerten sich standhaft, ihn auf seinen Runden zu begleiten. Mehr noch, sie verspotteten ihn ob seiner Leidenschaft. »Schau, wie fesch, der feine Herr von Schober hat schon wieder die karierten Sockerln an«, pflegten sie hinter seinem Rücken zu flöten, gerade laut genug, dass er es hören konnte.
    Schober schob den Ball einen Meter neben das Loch, versenkte ihn erst nach zwei weiteren Fehlschlägen und stapfte missmutig weiter zur achtzehnten Bahn. Ein Par drei, knapp hundertvierzig Meter, enges Fairway, leicht nach links geneigt. Schober erklomm den Abschlag – und stutzte.
    Auf dem achtzehnten Grün standen zwei Männer, einer kariert, einer gestreift, zwischen denen ein heftiger Streit entflammt war. Statt ihr Spiel zu beenden, warfen sie die Arme hoch und diskutierten lauthals. Schober vermeinte sogar, durch das laue Abendlüftchen das eine oder andere Schmähwort zu vernehmen. Kurz entschlossen ging er auf die Männer zu, um deren Streit zu schlichten oder sie auf andere Weise vom Grün zu vertreiben.
    »Vielleicht können Sie uns ja helfen!«, rief ihm der Gestreifte entgegen. »Wir haben da ein … nun, ein mehr als strittiges Regelproblem!« Und der Gestreifte zeigte auf den Rasen, auf dem – nun konnte auch Schober es erkennen – etwas Großes und Rundliches lag: Ein Mann, konstatierte Schober, sobald er das Grün erreichte. Ein wohlbeleibter, regungsloser Mann. Aus einer Wunde auf seiner Stirn tröpfelte Blut ins Gras.
    »Sie werden mir doch recht geben«, sagte nun der Karierte, »dass es sich hierbei um ein bewegliches Hemmnis laut Regel vierundzwanzig Absatz eins handelt, welches ich also entfernen darf, ehe ich putte. Dieser Herr hier«, er bedachte den Gestreiften mit einem verächtlichen Blick, »dieser Herr hier vertritt dagegen den lachhaften Standpunkt, dass der Tote als loser hinderlicher Naturstoff zu betrachten ist.«
    »Das will ich doch meinen!«, brauste der Gestreifte auf. »Regel dreiundzwanzig!«
    Schober runzelte die Stirn und umkreiste den leblosen Mann, zu dessen Füßen ein zerbrochener Putter lag.
    »Jemand muss ihn erschlagen haben«, bemerkte der Karierte mit Nachdruck. »Was eindeutig für das bewegliche Hemmnis spricht. Er ist ja offenbar durch

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