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Halsknacker

Halsknacker

Titel: Halsknacker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Slupetzky
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noch dir? Und zwei Hotels? Drei Restaurants? Mein Gott, Ferdl, du hast es ja wirklich geschafft … Könntest dich schon längst zur Ruhe setzen …
    Prost. Auf deinen Erfolg. Schön, einen alten Freund wiederzusehen. Kannst dich noch erinnern, wie wir damals Blutsbrüderschaft geschlossen haben, ganz wie der Winnetou mit dem alten Shatterhand? Und wie meine Mutter einen hysterischen Anfall gekriegt hat, wie sie das Blut gesehen hat? Das waren halt noch Zeiten … Auf die alten Zeiten. Prost, Ferdl.
    Was aus meinen Eltern geworden ist? Na ja, mein Vater ist auch von uns gegangen, kurz nachdem ich fünfzehn war. Sein Herz hat nicht mehr mitgemacht … Und meine Mutter … Ehrlich gesagt, ich weiß nicht, wie’s ihr geht. Sie ist, wie soll ich sagen, sehr seltsam geworden mit der Zeit. Ich hab sie … Also, kurz gesagt … Ein paar Jahre später hab ich sie einweisen lassen, in eine Nervenheilanstalt. Es ist nicht mehr anders gegangen … Aber sie hat’s gut dort gehabt, im Grünen, am Stadtrand. Zumindest eine Zeit lang … Später hab ich die Rechnungen von der Klinik nicht mehr zahlen können. Ich weiß nicht, wohin die sie dann gebracht haben. Ich will’s auch gar nicht wissen, ehrlich gesagt … Es ist alles meine Schuld. Alles meine verdammte Schuld …
    Was mit unserem ganzen Vermögen passiert ist? Mit den Weingütern? Mit den Landhäusern? Mit dem Familienschmuck? Mit der Oldtimersammlung von meinem seligen Alten? Warum ich heut auf der Straße sitz? Interessiert dich das wirklich? Vergiss es. Du wirst nicht glauben, wie rasch man alles los sein kann, wenn man einen Fehler macht. Einen einzigen Fehler …
    Geh Ferdl, zahl mir noch eines, ja? Ein letztes. Dann erzähl ich dir meinetwegen die G’schicht, wenn du unbedingt willst. Es ist sowieso an der Zeit, dass ich sie einmal wem erzähl. Es ist schon alles egal; ich hab ohnehin nichts mehr zu verlieren. Und wem soll ich das Herz ausschütten, wenn nicht meinem besten Freund? Also, was ist? Krieg ich noch eines?
    Prost, Ferdl. Danke …
    In dem Jahr, wie du deine Lehre angefangen hast, hat alles angefangen … Kannst du dich noch an den Hübner erinnern? An den kleinen Albino, den wir in der Pause immer sekkiert haben? Ja, genau, der mit den weißen Haaren und den Sonnenbrillen, der ausg’schaut hat wie dieser deutsche Sänger, du weißt schon … Der Hübner, die arme Sau …
    Es war am letzten Advent, drei Tage vor Weihnachten. Eigentlich hätt ich mit meinen Eltern nach Kitzbühel fahren sollen über die Feiertage, aber es ist irgendetwas dazwischengekommen in der Firma von meinem Vater. Also sind wir in der Stadt geblieben. Und deshalb bin ich an dem Sonntag runter zum Kanal gegangen. Du weißt ja, bevor du von der Schule weg bist, haben wir uns oft dort getroffen, immer am Nachmittag, und Blödheiten angestellt. Wie auch immer, ich hab mir gedacht, dass ich dich vielleicht treffe, dass du vielleicht zufällig da bist – es soll ja manchmal vorkommen, dass Freunde denselben Gedanken haben. Aber du warst nicht da. Und das, obwohl’s die ganze Nacht davor geschneit hat; eine Pracht, sag ich dir, ein schenkeltiefes Schneeballparadies …
    Ich bin also den Kanal entlanggestapft und hab Ausschau nach dir gehalten. Es war völlig menschenleer, nur die Krähen sind wie versteinert auf den Bäumen gehockt, das weiß ich noch genau, es war irgendwie unheimlich. Und dann … Ja, dann ist mir der Hübner entgegengekommen.
    Ich wollt überhaupt nichts von ihm. Ich hab sogar gegrüßt. »Servus, Hübner«, hab ich gesagt. Und er … Er hat gar nichts gesagt. Ist einfach weitergegangen mit seinen Moonboots und seiner schwarzen Brille und hat so getan, als tät er mich nicht sehen. Da ist mir schon ein bissel die Zornesader geschwollen, zugegeben. Ich bleib also stehen, dreh mich nach ihm um und sag: »Hast du was auf den Ohren, Depperter?« Und er, der Hübner, zieht die Schultern hoch und marschiert einfach weiter. Heute denk ich mir manchmal, er hat Angst vor mir gehabt. Aber damals … Ich bücke mich also und bastle mir eine richtige Granate, einen Schneeball, hart und groß wie eine Kokosnuss. Der Schnee war gerade richtig, nicht matschig, aber kompakt … Und dann … Ja, dann hab ich geworfen, just, wie der Hübner an einer von den Parkbänken vorbeigeht, die da unten herumstehen.
    Jetzt brauch ich einen Schluck …
    Ich hab ihn genau im Genick erwischt. Es war schon ein kräftiger Schlag. Dem Hübner hat’s die Brillen vom Gesicht gefetzt; er hat die Arme

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