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Halsknacker

Halsknacker

Titel: Halsknacker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Slupetzky
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grün, mit goldenen Sternen darauf. Du kannst dir wahrscheinlich denken, was drin war. Der Hübner hat ja nicht nur ein Auge gehabt … Und wieder ein Zettel:
    50.000 SCHILLING, MORGEN ABEND. DA, WO DU MICH GETÖTET HAST. UND KEINE TRICKS: ZWEI AUGEN SEHEN MEHR ALS EINES. DEIN TOTER FREUND HÜBNER.
    Was hätt ich machen sollen, Ferdl? Was hättest du an meiner Stelle gemacht? Fünfzigtausend Schilling! Ich hab nur eine einzige, völlig vertrottelte Hoffnung gehabt: nämlich, dass nach zwei Augen Schluss sein muss. Ein drittes gibt’s nicht, hab ich mir gedacht …
    Weißt du, wie schwer es ist, am Christtag fünfzigtausend Schilling aufzustellen? Ich hab das Silberbesteck aus der Vitrine im Speisezimmer genommen und mich auf die Suche nach einem Juwelierladen gemacht. Draußen am Stadtrand hab ich schließlich einen gefunden, ein kleines, heruntergekommenes Geschäft, das offen hatte. Aber von wegen Juwelier, ein ganz mieser Hehler war das; er hat mir genau fünfzigtausend gegeben, keinen Groschen mehr, obwohl das Tafelsilber mindestens das Zehnfache wert war.
    In dem Jahr hat es nicht geschneit. Kalt war es trotzdem unten am Kanal. Ich hab das Geld unter die Parkbank gelegt und mich wieder hinter dem Baum versteckt. Die Laternen waren diesmal unbeschädigt, das hab ich vorher überprüft. Und dann hab ich gewartet, stundenlang gewartet, aber der Erpresser ist nicht aufgetaucht. Einmal ist ein Liebespaar vorbeigegangen und einmal eine alte Frau, aber das Geld hat niemand genommen. Irgendwann, es war schon fast Mitternacht, hab ich beschlossen, es wieder einzustecken und heimzugehen.
    Und weißt du was, Ferdl? Wie ich zu der Parkbank komme, ist es weg. Was? Na, das Geld. Es war einfach weg. Verschwunden.
    Ich hab erst später entdeckt, dass unter der Bank ein Kanaldeckel war, verstehst du? Ein Kanaldeckel, und der ist halb offen gestanden …
    Prost, Ferdl. Ja, trinken wir auf meine Mutter. Sie ist damals draufgekommen, dass das Besteck fehlt. Sie hat mich aber nicht danach gefragt; sie hat nur versucht, es vor meinem Vater geheim zu halten. Leider umsonst. Irgendwann hab ich die beiden überrascht, wie sie ganz aufgeregt miteinander geflüstert haben. Von Rauschgift war die Rede und von Psychiater … Sie haben allen Ernstes gedacht, ich bin süchtig und verhökere das Familiensilber, um mir Stoff zu beschaffen. Und ich hab sie reden lassen: Ihre Rauschgifttheorie war immer noch besser als die Wahrheit …
    Trotzdem war das alles zu viel für meinen Vater. Er ist kurz darauf gestorben, und meine Mutter, na ja, ich hab dir ja schon gesagt, sie ist … verrückt geworden. Ist nur noch im Schlafrock herumgegangen, auch auf der Straße, und hat Stimmen gehört. Geisterstimmen …
    Aber das Allerschlimmste daran war, dass ich damals das ganze Vermögen geerbt hab. Auch den Anteil von meiner Mutter hab ich verwaltet, sie war ja nicht mehr in der Lage …
    Du kannst dir vorstellen, Ferdl, wie die Geschichte weitergeht. Im nächsten Jahr hab ich zwei Finger vom Hübner zu Weihnachten bekommen. Zweihunderttausend Schilling hab ich zahlen müssen, hunderttausend für jeden, und in dem Brief ist gestanden: KEINE TRICKS: ICH KRIEG DICH IN DIE FINGER.
    Im Jahr darauf war eine ganze Hand in dem Packerl. KEINE TRICKS: ICH HAB DICH FEST IM GRIFF . Die Hand hat mich eine halbe Million gekostet …
    Warum ich mich nicht gewehrt hab? Ich hab alles probiert, Ferdl, das kannst mir glauben. Ich bin weggefahren über Weihnachten, bis ans Ende der Welt bin ich gefahren, aber er hat mich aufgespürt, wie mein eigener Schatten. Damals hab ich einen Fuß geschenkt bekommen, und einen Zettel mit den Worten: KEINE TRICKS: ICH BIN DIR IMMER AUF DEN FERSEN.
    Da war einfach nichts zu machen. Zwanzig Jahre lang hab ich diese Pakete gekriegt, zwanzig Jahre lang den Hübner, Stück für Stück, aber den Erpresser hab ich nie erwischt …
    Einmal war ich aber nahe dran. Es war wieder hier in der Stadt, und es hat auch wieder geschneit, so wie damals, als die ganze Sache begonnen hat. An dem Abend hab ich es geschafft, seinen Fußspuren zu folgen, den Kanal entlang und dann durch die Straßen bis in die Innenstadt. Er kann keinen großen Vorsprung gehabt haben, dazu waren die Spuren zu frisch, aber zu Gesicht hab ich ihn trotzdem nicht bekommen. Wo die Spuren geendet haben? Vor dem Grandhotel. Verstehst, Ferdl, der miese Typ hat um mein Geld im Grandhotel residiert. Und die haben mindestens zweihundert Zimmer dort … Was sagst?

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