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Halsknacker

Halsknacker

Titel: Halsknacker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Slupetzky
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Dreihundertachtundachtzig Zimmer? Eben: Da hat man keine Chance, einen Unbekannten ausfindig zu machen …
    Aber weißt du, Ferdl, eines hab ich mir oft überlegt. Nämlich wie der Kerl das angestellt hat. Ich meine, so eine Leiche hält sich ja auch nicht ewig. Der Hübner hätt ja schon längst verwest sein müssen, außer … Ja, außer man hält ihn irgendwie frisch. In einer Gefriertruhe oder in einem Kühlraum …
    Prost, Ferdl. Es ist mir inzwischen egal. Vor drei Jahren hab ich die letzte Lieferung Hübner bekommen, ich will dir lieber nicht sagen, was in dem Packerl war … Nur so viel, der Text hat gelautet: KEINE TRICKS: DU GEHST MIR NICHT DURCH DIE LAPPEN.
    Und seither hab ich eine Ruh. Warum? Ganz einfach, weil’s nichts mehr zu holen gibt bei mir. Das letzte Mal hab ich fünf Millionen gezahlt, in einem nagelneuen Koffer, ein Plastiksackerl hat da nimmer g’reicht. Und das war mein letztes Geld. Irgendwie geht’s mir jetzt besser, Ferdl. Irgendwie hab ich jetzt das Gefühl, als hätt ich alles abgebüßt. Was? Ob das wirklich alles war? Na ja, wenn du mich so fragst … Es war so gut wie alles … Eine Kleinigkeit hab ich noch retten können, einen Diamantring von meiner Urgroßmutter, als Notgroschen sozusagen … Aber das muss unbedingt unter uns bleiben, verstehst? Unbedingt!
    Zahlst mir noch eines, Ferdl? Was, du musst schon gehen? Schad … Was sagst? Du hast ein Geschenk für mich? Na geh, das wär doch nicht nötig g’wesen … Danke trotzdem, Ferdl, alter Freund … Ja, bis bald dann …

Mein kleiner Münchner Grabgesang
    I ch habe München nie gemocht. München, dieses protzig vergoldete Schmuckkästchen, in dem sich Alpenveilchenstraßen und Edelweißplätze finden; München, dieses Mekka bieder-prätentiöser Nobelrustikalität. Wobei München ja nur das Symptom eines Krankheitsbilds darstellt, dessen Ursache seine Bewohner sind. Das blasierte Gehabe der Münchner sprengt jeden, ja selbst einen bayerischen Rahmen. Sie gerieren sich wie ein ungehobeltes Bauernvolk, das im Lotto gewonnen hat. So breit und grob ihre Sprache, so schmerzhaft ihr Mangel an gutem Geschmack. Kitschig, grotesk, manieriert sind ihre Kleider, ihre Häuser, ihre Zimmer: Zerrspiegel einer Schimäre, die den Namen kulturelle Wurzeln trägt. Hirschgeweihkronleuchter, Troddelzierkissen und Eierwärmer aus Blümchenbrokat, das ist München. Männer mit Hirschlederhöschen, Gamsbärtchen, glitzernden Knöpfchen und Kettchen verziert, kokette, geradezu tuntige Männchen, die ihr halbes Leben vor dem Spiegel verbringen, um sich hernach als »g’standene Mannsbilder« zu bezeichnen, das ist München. Charivari? Nein. Nur Larifari. Das ist München.
    Fragen Sie mich nicht, warum ich trotzdem hingefahren bin. »Ein Auftrag«, werde ich sagen, »die Arbeit, die Pflicht und das Geld. Man muss ja schließlich leben.« Abgedroschene Phrasen also, die nicht zuletzt deshalb so widerlich schmecken, weil sie schon von Millionen anderen Menschen in den Mund genommen wurden. Nein, die unausgesprochene Wahrheit ist: Ich bin ein Trottel. Anders kann ich Ihnen meine Reise nicht erklären. Anders kann wohl noch nie eine Reise nach München erklärt worden sein, ganz gleich von wem und wie lange und wann.
    Als einzigen mildernden Umstand will ich ins Treffen führen, dass mir der Einsatzort die längste Zeit verschwiegen worden war. Mein Kontaktmann in Wien (ich will ihn der Einfachheit halber Mittler nennen) hatte mir das übliche Kuvert auf den Kaffeehaustisch gelegt, ein Kuvert, dessen Inhalt – das wurde mir Sekunden später klar – kaum dürftiger hätte sein können. Name der Zielperson: Puppi von Haindlfing. Besondere Kennzeichen: weiße Locken. Kein Foto, keine Alters-, Berufs- oder Größenangabe. Puppi von Haindlfing. Weiße Locken. Punkt.
    »Bist du jetzt vollkommen deppert geworden?«, fragte ich Mittler.
    Statt einer Antwort zog er einen weiteren Briefumschlag aus seiner Tasche, diesmal zum Bersten gefüllt mit Papier – violettem Papier, wohlgemerkt: Es waren gezählte zwanzigtausend Euro, die in dem Umschlag steckten.
    »Und die andere Hälfte?«, fragte ich mit leicht belegter Stimme, während ich die Scheine in meinem Jackett verstaute. Eine dreiste Frage, zugegeben: Angesichts der Summe rechnete ich nicht wirklich mit einer anderen Hälfte, obwohl die Praktik der Ratenzahlung in meinem Metier durchaus üblich ist: die Hälfte der Gage im Voraus, die andere dann nach erledigtem Auftrag.
    »Nach erledigtem Auftrag, wie

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