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Halsknacker

Halsknacker

Titel: Halsknacker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Slupetzky
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verziertem Waffenschrank – als kleines Trostpflaster für die verlorene Anzahlung, wie ich vermute. Wenn Sie mich nun fragen, warum ich nicht einfach davonlaufe, sind Sie sicherlich zum ersten Mal in München. Nein, an eine Flucht zu Fuß ist nicht zu denken: In jedem Biergarten, vor jedem Trachtenladen – sprich: an jeder Straßenecke – lauern die Joppen- und Dirndlagenten, die Bierzipf- und Münzbroschenspitzel der Heringers, um mich zu stoppen. Diese Stadt hat ihre brokatenen Netze nach mir ausgeworfen, ihre Fußangeln, Schlingen und Fallstricke – selbst in der tiefsten und schwärzesten Nacht, wenn sie so tut, als schliefe sie ihren Bierrausch aus. Sie ist Angel- und Drehpunkt der Achse des Bösen, ein scheinbar gemütlicher, aber verschlagener Moloch, der seine Feinde nicht ausspeit, sondern gnadenlos assimiliert. Paranoia? Fortgeschrittener Verfolgungswahn? Ja kreizkruzifixnoamoi, so a Schmarrn! I buid ma doch nix ei’, i bin ja ned damisch!
    Nein, ich beklage mich nicht. Nur hin und wieder, wenn ich im eichengetäfelten Herrgottswinkel der Heringers sitze, erfasst mich so etwas wie Schwermut. Ich lehne mich an eines der opulent bestickten Zierkissen, betrachte den monströsen Kronleuchter aus Hirschgeweihen und trauere um eine bessere, schönere, lange vergangene Welt. Dann greife ich zu meinem schaumgekrönten Maßkrug, um die trüben Gedanken hinunterzuspülen. Und siehe da: Nachdem der dritte Krug geleert ist, träume ich nur noch den glorreichen Tag herbei, an dem ich endlich meinen eigenen Gamsbart tragen darf.

Olga
    B omska, das war alles, was er sah. Dicke, mächtige Bomska. Sie schlackerten ihm um die Ohren, klatschten auf seine geröteten Backen. Durchpulst von einer letzten Woge Saft erhob sich sein schlaffgerittener Jockel und versank erneut in ihrer Muppe – ihrer dampfenden, duftenden Muppe –, dass es schmatzte wie Monsterquallen, die auf feuchten Schweinelebern reiten.
    »Olga«, grunzte er. »Ach, Olga.«
    »Fick mich«, erwiderte sie schnaufend. »Fick mich, fick mich, fick mich …«
    Ist es möglich, einen Gegenstand zu lieben? Ihn mit all der Sehnsucht zu begehren, mit der man sich nach einem Wesen aus Fleisch und Blut verzehren kann?
    Selbstverständlich ist es das. Man denke nur an Kindertage, an die Sehnsucht nach der neuen Spielzeugeisenbahn, dem neuen Fahrrad, an eine Sehnsucht, die sich bis tief in die Träume zog und einen früh am Morgen wieder aus den Federn trieb. Aber auch der Erwachsene liebt unbelebte Dinge, und es ist zumeist eine reinere, bedingungslosere Liebe als jene zu einem anderen Menschen. Dinge sind dankbar, verfügbar, berechenbar. Sie wehren sich nicht, laufen nicht fort, verlassen einen nicht. Dinge sind treu.
    »Olga …«
    Sie schenkte ihm diesen verträumten, begierigen Blick, einen Blick, der ihn gleichzeitig schwächte und stärkte.
    »Fick mich …«
    »Aber ich …«
    »Fick mich …«
    Schon lag sie unten und er über ihr, durch nichts getrennt als den luziden Film aus Schweiß und Speichel zwischen ihren Bäuchen.
    »Fick mich …«
    Ja, Dinge sind dankbar, Dinge sind treu. Olga war zudem noch schön. Auf eine herbe Weise schön. Über den gewölbten Wangenknochen glänzten unergründlich schwarze Augen, deren dichte Brauen mit dem dunklen Flaum auf ihrer Oberlippe harmonierten. Ihr volles Haar fiel in Kaskaden über ihren Rücken, teilte sich über den üppigen Hüften – ein seidener Vorhang, der den Blick auf das Heiligste freigab, auf den dreifaltigen Born, der Kalles nicht enden wollende Labsal war: Olgas Zadnik, Olgas Muppe, Olgas Müff. Kurzum: die Bühne, die sein Jockel Tag für Tag bespielte.
    Das geheime Idiom für Olgas quellende Organe hatten die beiden gemeinsam entwickelt, kaum dass sie einander begegnet waren; es bildete die Perle auf der Krone ihrer Wollust. Keine Sprache kannte Worte, die dem Zauber all jener samtigen Hügel und glitschigen Täler gerecht geworden wären, und so war Kalle auf neue verfallen. Er hatte die Begriffe vorgeschlagen, und Olga hatte ihn jedes Mal zustimmend angesehen. Am Ende hatte Kalle auch sich selbst ein neues Wort gewidmet: Jockel nannte er das Ding an sich, das Einzige, das einen eigenen Namen verdiente.
    »Fick mich …«
    »Ich kann nicht mehr, Olga …« Kalle fiel ächzend zurück in die Kissen. Um sich ihrem Blick zu entziehen, schloss er die Augen, doch waren es nun ihre Lippen, die die seinen fanden. Zungenspitzen tanzten miteinander.
    »Fick mich …«
    Er nahm sie von hinten, langsam

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