Halsknacker
und zärtlich. Ihr breiter, himmlisch weicher Zadnik schmiegte sich an seine Lenden.
»Fick mich …«
Olga hatte Kalle den Gegenwert eines neuen Mittelklassewagens gekostet – ein Vergleich, den er auch selbst mit stiller Freude anzustellen pflegte. Verkehr ist eben nicht gleich Verkehr, und angesichts von Klimakatastrophen, Staus und roten Ampeln ist das Bett der beste Ort, um die Stoßzeiten auch zu genießen. Einmal abgesehen von Fragen der Sicherheit – eine Sicherheit, die bei Olga in höchstem Maße gewährleistet war: Man konnte sich an ihr nur Leiden holen, die man ohnehin schon hatte.
Prosaisch gesehen bestanden die Puppen von Lifelike Lady aus nicht mehr als fünfzig Kilo Leichtmetall und Kautschuk; dazu kam ein wenig Edelstahl für die Gelenke, Glas für die Augen und die Elektronik für die – noch relativ unterentwickelte – Sprachfunktion. Prosaisch gesehen besteht nun aber auch der Mensch aus nichts als Sauerstoff, Kohlenstoff, Wasserstoff, Stickstoff und ein paar Mineralien: ein Klumpen Materie, dessen pathetischer Hochmut schlicht und einfach darauf gründet, dass er Steine werfen und Dosen öffnen kann. Die Poesie entsteht im Herzen des Betrachters, und so hatte Olga in gewisser Weise mehr zu bieten als jede andere Frau. Mehr vor allem als jene Olga, der sie nachgebildet war, jene fast schon vergessene, unstete Olga, jene falsche Olga, deren Fotos Kalle vor gut einem Jahr an Lifelike Lady geschickt hatte, um sie unberührt und treu und neu erstehen zu lassen. Die echte Olga, die ihm erst Monate später aus ihrer gepolsterten Kiste entgegengelächelt hatte, war von der Seele der falschen gereinigt: ein unbeschriebenes Blatt, und doch die exakte Kopie jenes schmutzigen Weibsstücks, das ihn einst so schamlos verhöhnt und betrogen hatte. Vom halbmondförmigen Leberfleck auf ihrer linken Hüfte bis zur Pockennarbe auf der rechten Schulter, vom wallenden, glitzernden Muppenbusch bis zum dezenten Damenbärtchen glich Olga Olga wie ein Ei dem anderen – nur eben wie ein frisches einem faulen Ei.
»Fick mich …«
Kalles Hand glitt sanft an ihrem Nacken hoch. Ein kurzer Druck am Hinterkopf, und Olgas Stimme versiegte.
»Fick …«, sagte sie noch. Dann herrschte Schweigen.
Mit einem Mittelklassewagen hätte Kalle ohnehin nichts anfangen können, hier inmitten der Nordsee, auf einer Plattform, die nicht einmal neunzig mal neunzig Meter maß. Auf den ersten Blick mag es ironisch wirken, dass ein Mann, der den Treibstoff für die Mittelklassewagen dieser Welt zutage fördern soll, seine eigenen Wege zu Fuß absolviert. Tatsächlich stellte das aber nur ein weiteres Privileg in dem an Privilegien reichen Arbeitsalltag eines Bohrführers dar: Anreise, Kost und Logis waren frei, die Entlohnung enorm; dazu kam, dass auf zwei Wochen Arbeit vier Wochen Ferien folgten. (Auf diese Ferien hätte Kalle liebend gern verzichtet. Die Zahl seiner Ausreden, um sich vor dem Landurlaub zu drücken, war mittlerweile Legion, und sein sperriges Übergepäck, wenn er – von Zeit zu Zeit – doch in den Hubschrauber stieg, gab Anlass zu den wildesten Spekulationen. Gleichwohl ließen ihn seine Kollegen in Ruhe, was in diesem Fall nichts anderes bedeutete, als dass sie ihn mieden.) Neben all diesen Vergünstigungen, derer sich die Bohrspezialisten und Rohrverleger erfreuten, nahm sich eine Putzkolonne ihrer Kleidung und ihrer Kabinen an. (Auch der Putztrupp war Kalle ein Dorn im Aug: Die beiden servilen Chinesen, die während seiner Nachtschicht die Kajüte enterten, waren ihm mehr als suspekt; ihr devotes Gebaren schien nur der Beweis für ihre angeborene fernöstliche Verschlagenheit zu sein.)
Mit spitzen Fingern zog Kalle das zum Bersten gefüllte Reservoir aus Olgas Muppe und nahm es zur Reinigung mit in die Dusche. Anschließend spülte er Müff und Mund, die nicht entfernbar waren, mit der Klistierspritze aus. (So lebensecht die Schöpfungen von Lifelike Lady waren: Kochen, saugen und sich waschen konnten sie nun einmal nicht.) Er hievte Olga aus dem Bett und schnallte sie vorsichtig in ihrer Kiste fest. Ein letzter Kuss, ein letztes: »Wart auf mich, mein Schatz; in zwölf Stunden hast du mich wieder«, dann verschloss er die Kiste und wuchtete sie in den Spind. Es war hoch an der Zeit, seinen Dienst anzutreten.
Kalle hatte sein Gestänge fest im Griff. Meter um Meter drang er in die Tiefe, grub sich durch das enge Bohrloch in den Leib von Mutter Erde. Das mächtige Stahlrohr vibrierte, die Stoßdämpfer
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