Halten Sie sich für schlau?: Die berüchtigten Testfragen der englischen Elite-Universitäten (German Edition)
auszugehen, dass der Fragesteller allein schon aufgrund seiner Position als Mitglied der Prüfungskommission klüger ist als man selbst. Und vielleicht schätzt er es gar nicht, wenn Sie sich auf eine Stufe mit ihm stellen. Außerdem ist jemand, der zu sehr von seiner Klugheit überzeugt ist, meist wenig offen für Neues – im Studium sind jedoch gerade Neugier und Lernbereitschaft gefragt. Wer angesichts dieser Pattsituation eine unverbindliche Antwort gibt, vermittelt wiederum den Eindruck, unentschlossen und zaghaft zu sein.
Schon seit der griechischen Antike hat Schläue einen faden Beigeschmack. Aristoteles betrachtete sie abschätzig als die Fähigkeit, praktische Alltagsprobleme zu lösen. Weise war ein Mensch in Aristoteles‘ Augen erst dann, wenn sich Klugheit mit moralischer Rechtschaffenheit paarte. Platon äußerte sich ebenso abfällig: »Unwissenheit ist kein schreckliches oder übermäßiges Übel. Große Klugheit ist viel schlimmer, wenn sie auf falschen Voraussetzungen fußt.« Seither haftet dem Schlausein ein zweifelhafter Ruf an, es wird mit Arglist und Prahlerei assoziiert. Miltons Satan wurde als »schlau« bezeichnet, ebenso Mary Shelleys Frankenstein. Der Teufel mag schlau sein, doch nur Engel sind weise.
Wer also behauptet, schlau zu sein, präsentiert sich damit nur allzu leicht als verschlagen oder angeberisch – oder sogar als Narr, denn kein weiser Mensch würde sich selbst als schlau erachten, und wer wirklich schlau ist, gibt seine Klugheit nicht preis. Wie schon Rochefoucauld sagte: »Es ist eine große Schlauheit, seine Schlauheit verbergen zu können.« In seiner umfassenden Abhandlung Great Works of Art and What Makes Them Great von 1925 schrieb F. W. Ruckstull über die Zurschaustellung von Schlauheit: »Manet hätte ein großer Künstler werden können, doch moralische Kurzsichtigkeit verbannte ihn in die Ränge trivialer, wenn auch schlauer Handwerker.« So viel zu Manet. Selbst der brillante Oscar Wilde äußerte sich über seine eigene Klugheit nur selbstironisch: »Manchmal bin ich so geistreich, dass ich nicht ein einziges Wort von dem verstehe, was ich sage.« Vielleicht wäre das die perfekte Antwort auf die Oxbridge-Frage.
Auf die Frage »Halten Sie sich für intelligent?« hätte ich vermutlich anders geantwortet. Intelligenz hat nicht den negativen Beigeschmack des Schlauseins. Schläue beinhaltet das Ziel, andere zu übertrumpfen. Intelligenz ist objektiv. Doch auch diese Fragestellung birgt Probleme, da es keine allgemeine Definition von Intelligenz gibt und keine anerkannte Methode, sie zu messen. Die einst beliebten Intelligenztests sind heute diskreditiert: Erstens lassen sich die Ergebnisse nachweislich durch Üben verbessern, zweitens sind die Tests kulturgebunden. Wenn Sie also auf die Frage »Halten Sie sich für intelligent?« mit »Ja, ich habe einen IQ von 155« antworten, empfiehlt Ihnen das Auswahlkomitee vermutlich, dem Verband für hochintelligente Menschen Mensa International beizutreten, statt in Oxbridge zu studieren.
Bei der Frage »Halten Sie sich für schlau?« sind die Prüfungskomitees der Universitäten womöglich mit der Replik »Ich bin so schlau, wie Sie mich haben wollen« zu beeindrucken, der ein witziger Katalog von Gründen ähnlich Cyrano de Bergeracs Loblied auf seine Nase folgt. Da die klugen Köpfe von Oxbridge ihr Leben lang die Erfahrung gemacht haben, mit gewissem Argwohn und Neid betrachtet zu werden, werden sie sicher einen Anwärter zu würdigen wissen, der ihre Andersartigkeit zu feiern weiß. Die Würfel sind ohnehin schon gefallen, wie William Wordsworths Nichte Elizabeth 1890 befand:
Wären alle guten Menschen klug
Und alle klugen Menschen gut,
Wäre die Welt viel schöner
Als in den kühnsten Träumen ausgemalt.
Doch leider kommen die beiden Wesen
Nur selten gut miteinander aus.
Die Guten sind so hart zu den Klugen,
Die Klugen so grob zu den Guten.
Was passiert, wenn man eine Ameise fallen lässt?
Physik, Oxford
Diese Frage könnten Sie auf vielerlei Weise beantworten – humorvoll und menschlich, knapp und faktisch oder überhöht existenzialistisch. Da sie aber an einer Fakultät für Physik gestellt wurde, sollte man sich mit dem wissenschaftlichen Aspekt des Ameisenfalls beschäftigen.
Man könnte also anmerken, dass die Ameise, sofern sie zu den flügellosen Arten gehört, von der wechselseitigen Anziehungskraft zwischen Erde und Tier nach unten gezogen wird und mit wachsender Geschwindigkeit
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