Haltlos

beibringen.“
    Victoria wollte niemanden angreifen, aber sie sah ein, dass Proteste jetzt keinen Sinn machten und wenn sie irgendwann vor der Wahl stehen würde: Sie oder die Roten – na, dann lieber sie!
    Abrexar lächelte: „Das ist eine gute Idee, Jaro! Allerdings muss ich dich enttäuschen, denn das wird dir wahrscheinlich nicht gelingen. Bei den Gefährten übernehmen die Menschen im Kampf in der Regel den Schutz, helfen bei der Strategie und heilen hinterher. Ich weiß von keinem menschlichen Gefährten, der jemals selbst aggressiv angegriffen hat. Aber probiert es ruhig aus… wer weiß, welche Talente noch in Victoria schlummern.“
    Albert servierte den Hauptgang und während sie die köstliche Pasta mit Entenbruststreifen aßen, diskutierten sie weiter. Abrexar legte ihnen nahe, das gemeinsame Fliegen zu üben.
    Victoria wurde allein bei dem Gedanken daran ganz kribbelig. Als der Mentor ihnen dann noch Bilder von Gefährten im Flug zeigte, wollte sie es am liebsten gleich ausprobieren.
    Jaromir teilte ihre Begeisterung, meinte aber voller Bedauern: „Leider haben wir da ein Problem: Ich kann mich nur in meiner Drachengestalt unsichtbar machen und das hat mit der Struktur meiner Schuppen zu tun. Ich wüsste nicht, ob Menschen so etwas überhaupt können, geschweige denn, welchen Zauber Victoria dafür benutzen muss und ein Mensch, der mitten in Kiel einfach so durch die Luft schwebt, wäre doch sehr auffällig.“
    „Aber Schleswig-Holstein ist nicht so dicht besiedelt, als dass es hier keine einsamen Ecken gäbe, wo wir ungestört üben könnten“, wandte Victoria ein. „In der Nähe von Hohenlockstedt gibt es ein Waldgebiet, das so tot ist, dass sich selbst die Wildschweine nur selten dorthin verirren – das müsste sich hervorragend für unseren Zweck eignen.“
    Jaromir lachte über so viel Engagement, musste jedoch wieder bedauernd den Kopf schütteln. „Glaube mir Kleines, ich würde nichts lieber tun, als mit dir zu fliegen, aber ich bin Torwächter. Und gerade jetzt, wo wir keine Aufmerksamkeit erregen dürfen, muss ich meinen Job gewissenhaft ausführen.“
    Victoria runzelte verwirrt die Stirn. „Das verstehe ich nicht… Du bist doch auch nicht jeden Tag an der Uni, um das Tor zu bewachen, was macht es da, wenn wir mal für ein paar Stunden weg sind?“
    „Ein Drache muss nicht direkt neben dem Tor stehen, um es gewissenhaft bewachen zu können“, erklärte Abrexar. „Wir verbinden uns mit Hilfe eines Zaubers mit dem Tor. Sollte eine Veränderung eintreten, würden wir das über den Zauber wahrnehmen. Das Ganze hat aber zwei Nachteile. Erstens: Der Zauber muss spätestens alle vier Tage erneuert werden, um zuverlässig zu funktionieren. Darum brauchen wir auch immer einen direkten Zugang zum Tor. Und zweitens: Die Reichweite ist begrenzt. Je mächtiger der Drache, desto größer die Reichweite. Aber selbst ich muss mich im Umkreis von fünfzig Kilometern vom Tor aufhalten, damit die Verbindung nicht abreißt.“
    Victoria zog die Augenbrauen zusammen und fragte: „Und wer bewacht jetzt das Tor zur Welt?“
    Der Mentor grinste breit. „Ich schätze mal, dass der gute Lenir zurzeit in Hamburg sitzt und Blut und Wasser schwitzt… Zu Übungszwecken habe ich ihn vor zwei Tagen angewiesen, sich mit dem großen Tor zu verbinden. Zum Glück, denn so konnte ich sofort aufbrechen, als ich von euch erfuhr.“
    Victoria ließ nicht locker: „Und wenn wir uns ein Gebiet suchen, welches näher dran ist?“
    Wieder schüttelte Jaromir den Kopf. „Sollte am Tor etwas passieren – so unwahrscheinlich das auch sein mag – werde ich durch die Nebel reisen müssen, um sofort zum Tor zu kommen. Das will ich nicht mit dir auf dem Rücken riskieren, wenn du dich nicht sicher oben halten kannst.“
    „Jaro hat recht“, pflichtete Abrexar bei. „Das Fliegen wird gerade anfangs eure ganze Konzentration erfordern. Aber «Reisen durch die Nebel» ist ein gutes Stichwort. Das solltet ihr unbedingt auch lernen! Es könnte euch bei einem Angriff das Leben retten und…“
    „Abrexar, ein Flug durch die Nebel ist für uns Drachen schon gefährlich und erfordert einiges an Übung“, unterbrach Jaromir ihn energisch. „Wie ist das dann erst für einen Menschen? Victoria könnte dabei umkommen!“
    Der Mentor schob seine Bedenken beiseite. „Angenehm ist das bestimmt nicht, aber die Gefährten sind früher immer auf diese Weise gereist; es geht also. Außerdem darfst du nicht vergessen, dass du das