Haltlos
ja kein Wunder, schließlich kennt er dich kaum und die Geschichte vom Überfall hat das auch nicht gerade besser gemacht.“
Victoria sah wieder die Bilder von der letzten Nacht und erschauderte. Dann stutzte sie plötzlich. „Eines muss ich aber noch wissen!“
Er sah sie neugierig an. „Was denn?“
Sie schloss die Augen und versuchte sich genau zu erinnern. Danach sah sie ihn dann direkt an. „Ich konnte deine Präsenz zu Hause spüren, dann warst du plötzlich ganz verschwunden und gleich darauf schwebtest du über mir, aber ich konnte dich nicht sehen. Wie kann das sein?“
Er lächelte sie an. „Das ist etwas kompliziert, aber ich versuche, es dir zu erklären.“
Er setzte sich auf seinen Sessel und begann mit seiner Professorenstimme: „Wir Drachen können durch die Nebel reisen und so ohne Zeitverzögerung von einem Ort zum anderen kommen.“
Sie sah ihn fragend an und so fuhr er fort: „Ihr Menschen kennt drei Dimensionen im Raum, vier, wenn man die Zeit noch dazu nimmt. Tatsächlich gibt es aber noch mehr Dimensionen. Der Nebel ist eine davon und verbindet alle räumlichen Orte miteinander. Wenn ein Drache zum Beispiel von hier nach Oslo reisen will, dann kann er entweder die ganze Strecke fliegen oder er tritt hier in den Nebel ein und in Oslo wieder aus.“
Victoria war fasziniert. „Wie cool ist das denn? Also kannst du von jetzt auf gleich an jeden Ort dieser Welt reisen?“
Er schmunzelte über ihre Begeisterung. „Theoretisch ja, aber es gibt da doch ein paar Haken: So muss ich unbedingt ein klares Bild davon haben, wo ich rauskommen will. Die Nebel sind eine unwirtliche Sphäre, in der sich kein Wesen lange aufhalten kann. Wenn ich meinen Zielort nicht auf Anhieb finde, sterbe ich – Zeit zum Umkehren gibt es nicht. Am besten geht es, wenn ich vorher schon einmal an dem Ort war. Außerdem kostet es einiges an astraler Energie.“
Sie schüttelte leise lachend den Kopf. „Und selbst wenn… das ist doch der Hammer! Ab nach Sydney in einer Sekunde. Ich fasse es nicht…“
Dann fiel ihr noch der andere Teil ihrer Frage ein. „Und warum konnte ich dich nicht sehen?“
„Das ist ganz einfach: Ich kann mich unsichtbar machen – allerdings nur in meiner Drachengestalt … das hat mit der Struktur meiner Schuppen zu tun und auch etwas mit Magie.“
Victoria sah ihn ungläubig an. „Was kannst du denn noch alles? Das ist ja krasser als Supermann!“
Er zuckte hilflos mit den Schultern. „Ich bin eben kein Mensch. Dafür kann ich ja wohl kaum etwas.“
Sie nickte zustimmend. Dann legte sie den Kopf schief. „Und wo wir gerade dabei sind… Was ich mich schon seit dem Picknick frage, ist: Wie machst du das? Du bist in Menschengestalt in ganz normaler Kleidung. Dann verwandelst du dich in die Drachengestalt und trägst nichts als deine schicken schwarzen Schuppen. Wenn du dich danach zurückverwandelst, hast du wieder deine Klamotten an. Wo sind die Sachen in der Zwischenzeit gewesen?“
Jaromir lachte. „Das ist nun wirklich zu kompliziert, um es dir jetzt zu erklären; aber ich kann dir verraten, dass es mit Magie zu tun hat und dass die Kleidung keine Illusion ist.“
Dann sah er sie mit seinen warmen, braunen Augen an und fragte: „Kann ich dir noch irgendetwas beantworten?“
Sie grinste. „Ja! Hast du heute keine Vorlesungen?“
Er lächelte sie an und seine Augen leuchteten. „Ach, Studenten quälen kann ich morgen auch noch. Du bist wichtiger! Ich wollte einfach da sein, wenn du wieder wach wirst.“
Sie bemerkte, wie sie zärtlich mit seiner Liebe umhüllt wurde. Die Schmetterlinge erwachten aus ihrem Dornröschenschlaf.
Er setzte sich zu ihr aufs Bett, nahm sie in den Arm und flüsterte mit rauer Stimme: „Ich habe dich in der letzten Nacht fast verloren, Victoria – das wird mir nicht noch einmal passieren!“
Die Luft knisterte um sie herum. Er sah ihr mit seinen warmen, strahlenden Augen ins Gesicht, geradewegs so, als wolle er sich jede noch so kleine Einzelheit einprägen. Dann fuhr er mit seiner Hand zärtlich durch ihre langen, braunen Haare.
Seine Nähe ließ wieder dieses behagliche Kribbeln über ihre Haut wandern. Sie merkte, wie sehr sie das in den letzten Tagen vermisst hatte.
Sie seufzte glücklich, schloss die Augen und zog ihn genießerisch zu sich heran. „Lass mich nie wieder los, Jaro!“
Er lachte leise. Dann küsste er zärtlich ihre Stirn und ihre Augenlider. Er atmete den Duft ihrer Haare ein und flüsterte in ihr Ohr: „Dieses
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