Haltlos
aber jetzt kann ich einfach nicht mehr ohne sie sein.“
J lachte leise. „Na, dann geht es dir ja ganz genauso wie ihr! Wenn sie dich mehr als einen Tag nicht gesehen hat, wird ihre Laune mehr als mies!“
Jaromir blickte J an und fragte: „Und was ist mit dir? Sie erzählt viel von dir. Du bist immer für sie da.“
J zuckte mit den Schultern. „Ach, ich bin nur ihr Ersatzgroßerbruder…“
Aber Jaromir hörte auch J’s Gedanken: „Ich könnte sie lieben. Wer könnte das nicht? Aber ich bin lieber ihr bester Freund als gar nichts.“
Jaromir antwortete: „Sie kann wirklich froh sein, dass sie einen Freund wie dich hat und ich versichere dir, das ist sie auch!“
J seufzte. Nach einer kurzen Pause fügte er leise hinzu: „Tja… aber du solltest sie jetzt besser nicht länger warten lassen.“
Die beiden gingen schweigend die Treppen rauf.
In der Wohnung angekommen bedankte sich Jaromir bei J. „Nett von dir, dass du einen Blick auf den Tacho geworfen hast. Danke!“
J zuckte erst nur gleichgültig mit den Schultern, aber dann lächelte er: „Jederzeit wieder.“
Nun lächelte auch Jaromir. „Ich werde darauf zurückkommen J, keine Angst.“
In dem Moment kam Victoria mit einer vollbepackten Tasche aus ihrem Zimmer. „Na, konntet ihr zwei die Tachoprobleme lösen?“
J grinste gelöst von einem Ohr zum anderen und sagte feixend: „Ja, konnten wir. Und ich muss sagen, der Kilometerstand verändert sich ganz ordnungsgemäß beim Fahren!“
Ganz offensichtlich hatte J sein Misstrauen gegenüber Jaromir in der letzten Stunde überwunden.
Den ganzen Nachmittag arbeiteten Victoria und Jaromir in seinem Arbeitszimmer. Ihr kam es so vor, als hätte sie in den vergangenen drei Wochen im Dunklen gesessen und jetzt endlich hatte jemand das Licht wieder angeknipst. Sie las ihr Matheskript wie ein gutes Buch und verstand ihre Schwierigkeiten der letzten Wochen nicht mal mehr ansatzweise. Heute war alles so klar wie immer – nein, vielleicht sogar noch ein wenig klarer.
Als Alberts Silberglöckchen zum Nachmittagstee rief, hatte sie bereits die Analysisvorlesungen der letzten drei Wochen durchgearbeitet und wollte gerade mit den ersten Übungen beginnen. Sie war fast schon enttäuscht über die Unterbrechung, aber als Jaromir die Tür zum Flur öffnete, wehte ein verführerischer Duft von frischem Gebäck herein. Dem konnte sie einfach nicht widerstehen.
„Bestimmt hast du dich mit Albert gegen mich verschworen…“ , dachte sie lächelnd.
„Selbstverständlich habe ich das“ , antwortete er augenzwinkernd. „Folter durch Gebäck, das überstehen nur die ganz Harten!“
Lachend gingen sie Hand in Hand in den Salon.
Victoria bemerkte sofort, dass mit Albert etwas nicht stimmte. Seine Gedanken kreisten unablässig um ein Rezept für einen irischen Lammbraten. Das an sich war nicht verwunderlich, aber die Art und Weise, wie er darüber nachdachte, war verkrampft. Ja es schien ihr fast, als würde er das Rezept herunterbeten, um an nichts anderes denken zu müssen.
Jaromir nickte ihr unauffällig zu und lächelte leicht. Dann sagte er freundlich: „Albert, was ist los? Irgendetwas beschäftigt dich doch.“
Albert sah verwirrt auf und antwortete nach einer kurzen Pause: „Ähhh, ja… ich … also ich beschäftige mich mit einem neuen Rezept…“
Jetzt musste Jaromir grinsen. „Den irischen Lammbraten hast du doch schon vor zwei Monaten gekocht und er war ganz hervorragend.“
Das brachte den Butler aus dem Konzept und nun versuchte er sich noch stärker auf das Rezitieren der Kochanweisung zu konzentrieren. „Ach… ja, tatsächlich?“
Jaromir setzte eine strenge Miene auf und erklärte dann ernst: „Ich fürchte, ich habe dir in den letzten Wochen zu viel zugemutet. Ich glaube, ich werde dir für die nächsten zwei Wochen freigeben!“
Alberts Blick war entsetzt. In seine Gedanken mischten sich Bilder von seiner geliebten Küche – allerdings war sie in einem erbärmlichen Zustand. Überall stand benutztes Geschirr herum, die Kräuter waren größtenteils vertrocknet und jede Menge aufgerissene Fertiggerichtverpackungen lagen auf den Arbeitsflächen verstreut.
Jaromir meldete sich zerknirscht bei Victoria: „So schlimm habe ich seine Küche nie zugerichtet – ehrlich! Außerdem räume ich immer auf, kurz bevor Albert wiederkommt … naja, einmal kam er einen halben Tag zu früh.“
Victoria konnte sich ein Lachen kaum verkneifen.
Schließlich ließ Albert resigniert die
Weitere Kostenlose Bücher