Hamburger, Hollywood & Highways
sagen, irgendwie war ich fasziniert. Zum größten Teil waren die Reiter junge Burschen, und als sich einer neben mich stellte, fragte ich, ob er Lust auf ein Bier hätte.
„Später“, sagte er.
Also wartete ich auf später. Nach seinem letzten Ritt verzogen wir uns an die Bar, und ich gab einen aus. Dann stellte ich meine Fragen, und die Antworten waren kurz, aber akkurat. Er hieße Hatch, und war kein Mitglied der American Junior Rodeo Association. Das war von Bedeutung, weil er dadurch nicht an lukrativen Rodeos teilnehmen durfte, sondern mit seinen Kumpels von einem obskuren Wettbewerb zum anderen ziehen musste. Er nannte das Wanderdasein seine Bestimmung, und durchquerte die große Öde von Norden nach Süden und von Osten nach Westen. Mal bekam er hier ein kleines Preisgeld, mal dort.
„5000 Dollar im Jahr kommen zusammen. Das meiste geht drauf für Sprit. Der Rest fürs Saufen und die Weiber.“
Ich wollte wissen, was ihn am Rodeo reizte.
„Der Kick“, war die Antwort.
Der Lohn für den Kick – neben dem Geld – war: zweimal die Schulter gebrochen, ein Oberschenkelhalsbruch, x-mal die Hand entzwei, beide Knie kaputt, und heute hatte es wohl eine Rippe erwischt.
„Wie alt bist du?“, fragte ich.
„23“, sagte Hatch.
Ich gab noch einen aus, und Hatch sagte: „Wenn du Lust hast, wir gehen auf ‘ne Party.“
Zweimal sollte man nicht den gleichen Fehler machen. Also sagte ich, „klar hab’ ich“, und das stimmte auch. Ich war gespannt, wie Rodeoreiter feiern.
„The Cage“ war die Kleinausgabe des Bullenrings. Zwei Kämpfer umkreisten sich, doch gab es kein langes Abtasten. Mit einem Mal prügelten sie mit bloßen Fäusten aufeinander ein wie bei einer zünftigen Festzeltschlägerei. Einer ging zu Boden, der andere sprang auf ihn drauf, während die Zuschauer wie Affen am Gitter des Käfigs hingen und aus Leibeskräften brüllten. Jemand stieß mir einen Ellbogen in die Seite, und ich sah mich einem Fotographen gegenüber, der versuchte, das Objektiv seines Apparates durchs Gitter zu zwängen.
„Sorry buddy“, sagte er. „Bin von der Lokalzeitung.“ „Das da“, fragte ich ungläubig, „kommt in der Zeitung?“
„Natürlich“, sagte er. „In The Elko Daily Free Press.“ „Da will ich der Arbeit nicht im Wege stehen“, sagte ich. Der Kampf war zu Ende, beide Fighter blutüberströmt. Ein Cowboy riss die Hand des Siegers hoch und reichte ihm einen Scheck.
„100 Dollar kriegen die“, sagte Hatch ehrfürchtig. „Davon träumen wir nur.“
Der Cowboy im Ring kündigte die nächste Runde an. Ich hatte auf einmal das Gefühl, dass ich den Rest der Nacht lieber in einem nassen Zimmer in einem nassen Bett verbringen wollte. Also gab ich Hatch die Hand und verabschiedete mich.
„Warum jetzt schon?“, fragte er. „Wir gehen noch ins Puff.“
„Anders Mal“, antwortete ich, obwohl ich wusste, dass es kein anders Mal geben würde.
Dann fragte ich, wann sein nächster Rodeo sei.
„Morgen“, antwortete er. „In Round Mountain.“
Das war ein Kaff 500 Kilometer südlich von Elko. Den größten Teil der Strecke würde Hatch über Dirt Roads , also ungeteerte Straßen, zurücklegen müssen. Und das mit einer angeknacksten Rippe und nach einer Nacht, die noch lange nicht zu Ende war.
Apfelsaft gibt Jugend Kraft, heißt es ja, und vielleicht floss auch ab und zu davon durch Hatchs Kehle. Ich wünschte ihm Hals und Beinbruch, aber bitte nicht wörtlich nehmen, und kehrte zurück in mein Feuchtbiotop.
„This is the place“, verkündete Brigham Young der Legende nach im Jahr 1847, und rammte seinen Wanderstock in den Salzsee, der ihn und seine Jünger auf einer gleißenden Fläche von ein paar Tausend Quadratkilometern umgab. „Hier bauen wir unsere Stadt!“
„Hurra!“, riefen die Jünger, und damit ihre Motivation auch anhielt in den schweren Zeiten, die da kommen sollten, erlaubte ihnen der offizielle „Zweite Prophet der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage“, gleich mehrere Frauen zu ehelichen. Was nicht leicht war in diesen kargen Zeiten, denn unter Youngs 148-köpfiger Schar befanden sich 143 Männer, drei Frauen und zwei Kinder. Vielleicht wäre es andersherum klüger gewesen.
Das ist eine stark gekürzte Wiedergabe der Geschichte der Mormonen, des Mormonenstaates Utah, und der Mormonenhauptstadt Salt Lake City. Die Langversion der Geschichte ist nicht viel anders, nur länger.
Seit Elko fuhr ich durch eine Gegend, von der ich unter Eid schwören
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