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Hamburger, Hollywood & Highways

Titel: Hamburger, Hollywood & Highways Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Oliver Bachmann
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wieder vor, egal zu welcher Jahreszeit.
    Reno selbst nennt sich „The Biggest Little City in the World“. Wie in Las Vegas gab es Casinos, wie in Las Vegas gab es Leute, die auf Teufelkommraus ihr Geld los werden wollten und das auch noch Vergnügen nannten. Es gab billiges Essen, es gab teure Huren, es gab langweilige Shows, in denen Musiker wie Jonas von der großen Karriere träumten. Doch anders als in der Glitzerstadt lagen die Casinos nicht am Strip, was einen gewissen Charme mit sich bringt, sondern in der East 4th Street. Die hatte soviel Atmosphäre wie sie hieß. Trotzdem schaffte ich einen persönlichen Rekord von 8 Stunden und 43 Minuten ohne auszutreten vor dem Einarmigen Banditen. Noch Wochen später sah ich wirbelnde Glocke-Orange-Sieben-Kirsche-Kombinationen, sobald ich die Augen schloss.
    Dann hatte auch ich genug.
    Wer einen Neuanfang nötig hat, geht am besten zur Autovermietung. Ich war bereit, und nahm mein Vehikel in Empfang, welches mich zur Ostküste bringen sollte. Nach einigen Kilometern taufte ich den Wagen „Gummiente“, nicht nur Martin Penwald zu Ehren, sondern auch wegen den Fahreigenschaften der Hämorridenschaukel. Natürlich war es ein Wagen amerikanischer Bauart, und die Marke spare ich mir, es genügt zu wissen, dass sie mit „F“ beginnt und mit „ord“ endet. Da hinter Reno der Verkehr dünner wurde, und auf dem Highway genügend Platz war, schwamm ich in der Gummiente stillvergnügt durch eine Landschaft, die mit drei Worten gut beschrieben ist: Die große Öde.
    Was muss das für ein Schock gewesen sein für die Einwanderer. Da hatten sie sich monatelang durch die Prärie gekämpft, ein paar Tausend Kilometer seit New York oder Chicago zurückgelegt, um mit einem Male vor den Rocky Mountains zu stehen, einem Gebirge mächtiger als die Alpen. Also raus mit Seil und Haken und die Ochsenkarren darüber gewuchtet. Doch anstatt dem gelobten Land warteten auf der anderen Seite Salzwüsten, Sandwüsten, Steinwüsten. Noch heute leben in dieser Ecke der Vereinigten Staaten nur 0,7 Personen auf dem Quadratkilometer, und die meisten davon in dem Örtchen Winnemucca. Darum liegt ein menschenleeres Gebiet mit der gigantischen Fläche von 150000 Quadratkilometer – das ist, ihr eidgenössischen Abenteurer, mehr als die Schweiz, Belgien und die Niederlande zusammen.
    Ich hielt in Winnemucca an, um zu tanken und mich mit Muffins und Kaffee zu versorgen. In den Zeiten des Wilden Westens waren auch Butch Cassidy und Sundance Kid durchgekommen, hatten die Bank ausgeräumt und deren Präsidenten ein paar Wochen später als Dankeschön ein Ölgemälde von sich selbst geschickt. In diesen Breiten legte man schon immer Wert auf ausgesuchte Höflichkeit. Ähnliche Geschichten hatte auch Elko zu bieten, das nächste Städtchen 200 Kilometer weiter. Hier ließen sich um 1860 Basken nieder, die auch eine gewisse Erfahrung darin haben, sich ihrer Haut zu erwehren. Trotzdem besteht die Geschichte des Westens nicht nur aus Pulverdampf. 1874 – da war Elko kaum mehr als eine Ansammlung von Bretterbuden – gründeten ein paar Weitsichtige die University of Nevada, und einige Jahre später war die erste High School des Staates an der Reihe. Für diese Entwicklung haben wir in Europa ein paar Jahrhunderte länger gebraucht. Also dachte ich, muss das doch ein gutes Plätzchen sein, um mein müdes Haupt aufs Kissen zu betten. Ich steuerte das erstbeste Motel an.
    Es ist nie eine gute Idee, wenn man das erstbeste Motel ansteuert.

Land der Cowboys und Bigamisten
    Ich betrat das Motelzimmer und stand im Regen. Ich weiß, es gibt Menschen, die haben einen Faible für Horrorfilme. Zu denen gehöre ich nicht, aber einmal schleppte mich eine Freundin zum Japanischen Horrorfilmfestival mit. Dort sahen wir uns einen Film an, in dem ein Monsterhaus die Hauptrolle spielte. Darin regnete es, was eine feuchte Angelegenheit war, zumal neben Wasser auch Blut aus Wänden und Decke drang. Das fand meine Freundin toll, und als sie mich fragte, ob wir nicht zusammenziehen sollten, sie hätte ein einsames Häuschen im finsteren Walde gefunden, ging ich auf eine lange Reise, die heute noch nicht zu Ende ist. Doch in Elko holte mich die Vergangenheit ein. Ich schaute den Motelmanager an, ich schaute zur Decke, wo die Sprinkler lustig rieselten, ich schaute wieder den Motelmanager an.
    „Hier regnets“, sagte ich.
    „Haben Sie aber einen komischen Akzent“, meinte er. „Darf ich fragen …“
    Ich bin selten

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