Hamburger, Hollywood & Highways
Tarantino, „Reservoir Dogs“, entstand aus einer Sprachverwurstung des französischen Filmklassikers „Au Revoir Les Enfants“ mit dem Film „Straw Dogs“. Mister Pink, Mister White, Mister Brown und den anderen Gangstern in Tarantinos Film war das egal, und den Millionen Zuschauern rund um den Erdball ebenfalls. Was lernen wir daraus? Dass Sprache ein lebendiges Wesen ist. Dass die Antwort auf die Frage nach dem Leben, dem Universum und allem „42“ lautet. Vielleicht lernen wir aber auch nichts.
Als die Deutschen Amerikas Araber waren
Wer vom Westen in den Osten fährt, kommt von der Weite in die Enge. Ich war noch über 200 Kilometer von Chicago entfernt, doch schon wurde der Verkehr unangenehm dicht. Die Häuser wuchsen in die Höhe und Breite, alles rückte aufeinander zu. Daran lässt sich heute noch erkennen, dass die Eroberung Amerikas im Osten begann.
Ich sammelte ein paar weitere Ortsnamen ein, Prophetstown, Peru, Marseilles und Frankfort, bis ich die Vororte Chicagos erreichte. Mein Plan war, zum Ufer des Lake Michigan zu fahren, um mal wieder Seeluft zu atmen, aber daraus wurde nichts. Denn ich verfuhr mich. Das passierte nicht zum ersten Mal, und ist auch kein Wunder, weil das GPS-System in den Staaten ungefähr so zuverlässig ist wie der Kundenservice der Deutschen Telekom. Es gibt auch einen Grund dafür: Manche Regionen sind einfach noch nicht kartographiert. Doch bisher war das nie ein Problem gewesen. Ich freute mich über den einen oder anderen unfreiwilligen Abstecher, denn so bekam ich Landschaften zu Gesicht, die ich ansonsten nicht gesehen hätte. Doch in Chicago war es anders. Da gibt es ein paar Ecken, die sollte man tunlichst meiden. East Chicago ist so eine Ecke. Weil aber die Gummiente ihren eigenen Kopf hatte und ich die Augen an der entscheidenden Kreuzung geschlossen, war ich auf einmal dort. In einem Viertel, von dem man sagt, es sei so friedlich wie Kabul oder Bagdad.
Was mich zu einem ungemütlichen Thema bringt. Es heißt Integration, und sollte eine Selbstverständlichkeit sein in einem Land, in dem jeder Einwohner eingewandert ist, und wenn nicht er, dann seine Eltern, Großeltern oder Urgroßeltern. Natürlich sind auch in Europa oder Asien alle Leute mal eingewandert, nachdem es den ersten Menschen, unser aller Urahnen, im afrikanischen Great Rift Valley zu eng geworden war. 50000 Jahre vor Christus erreichten wir Australien, 12000 Jahre vor Christus die Gegend um Peking, 11000 Jahre vor Christus den Süden von Chile, und 10000 Jahre vor Christus Europa. Aber das ist halt lange her. Trotz zahlreicher Völkerwanderungen und Grenzverschiebungen durch Kriege lassen sich sesshafte Traditionen auf dem Alten Kontinent lange zurückverfolgen. In Amerika ist das anders. Die Stadt Chicago wurde erst 1833 gegründet. Also vor nicht einmal sechs Generationen. 350 Einwohner hatte das Städtchen damals, während sich heute 10 Millionen Menschen im Großraum tummeln. Das bedeutet, eine Menge Leute sind in einer sehr kurzen Zeitspanne eingewandert. Was uns wieder zur Integration bringt. Denn keiner dieser Einwanderer kann behaupten, als Erster da gewesen zu sein, was die einzige Anspruchsgrundlage von Sesshaften auf viele zweifelhafte Rechte ist. Zum Beispiel auf das des Grundbesitzes. Trotzdem leiten sich daraus unzählige Konflikte ab. Dabei könnte Amerika leuchtendes Beispiel eines internationalen Miteinanders sein. Doch die Einwanderer brachten außer ein wenig Hab und Gut vor allem ihre Vorurteile mit. Man wollte nicht mit denen zusammen leben, denen man in Europa aus dem Weg ging. So entstanden in den amerikanischen Städten des 19. Jahrhunderts Viertel, in denen nur Deutsche lebten, Iren oder Italiener. Im 20. Jahrhundert waren es Asiaten und Südamerikaner, die lieber unter sich blieben und sich nicht integrieren konnten oder wollten. Auch das 21. Jahrhundert bringt ständig neue Wellen von Immigranten – wo immer auf der Erde Kriege toben, war und ist Amerika häufig der einzig sichere Hafen. Das sollte man nicht vergessen, vor allem nicht als Deutscher. Nachdem 1849 die erste Demokratiebewegung auf deutschem Boden von den Preußen zusammengeschossen worden war, gab Amerika Hundertausenden politischen Flüchtlingen eine neue Heimat. Im Ersten Weltkrieg und während der finsteren Zeiten der Nazidiktatur waren wiederum die Vereinigten Staaten letzte Rettung für Millionen von Menschen.
Zum Teil funktionierte die Idee des Melting Pots . Vor allem in kleineren Städten
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