Hamburger, Hollywood & Highways
allem“. Besser gesagt, er fand den Supercomputer Deep Thought , der diese Antwort errechnet hatte. Sie lautet „42“. Was wiederum Millionen Lesern schlaflose Nächte bereitete, weil sie sich den Kopf darüber zerbrachen, was wohl dahinter steckt. Dabei gab Douglas Adam unumwunden zu, „42“ war nur ein Späßchen gewesen, die Zahl wäre ihm am Schreibtisch eingefallen, wie einem halt am Schreibtisch Zahlen einfallen. Ich möchte wetten, dass dabei Grüner Veltliner im Spiel war, mindestens dreieinhalb Flaschen.
Jedenfalls: An „42“, an Arthur Dent und an Äcker in Österreich musste ich denken, als ich ebenfalls am Rande einer Straße stand, und sich vor mir gepflügte Erde bis weit hinters Ende des Universums erstreckte. Das also war Nebraska, ein schönes Nichts aus grüner Weide und blauen Seen. Und so ein schönes Nichts weckt zwangsläufig den Philosophen in mir. Wittgenstein zum Beispiel hat in seinem Tractatus logico-philosophicus feine Anmerkungen zum Thema „Nichts“ hinterlassen: „Die Welt ist die Gesamtheit der Tatsachen“, schreibt er, „und nicht der Dinge.“ Darüber lässt sich nachgrübeln, auf den Äckern von Nebraska, wo eine Menge Tatsachen geschaffen werden. Zum Beispiel die, dass hier für den wohlgefüllten Brotkorb Amerikas gesorgt wird. Auch wenn man nach einem Besuch in einem amerikanischen Supermarkt glaubt, das Essen kommt aus der Dose, weil nichts anderes in den Regalen steht, wird man hier auf feuchter Erde eines Besseren belehrt. Das Essen kommt tatsächlich noch vom Acker, und wandert erst dann in die Dose, bevor es von Wal-Mart verkauft wird. Und zwar zu Dumpingpreisen, die jeden Erzeuger bleich werden lassen, was den Konsumenten aber gleichgültig ist. Und den Supermarktgiganten zur mächtigsten Handelskette der Welt machte, mit einem jährlichen Umsatz von 300 Milliarden Dollar. Für Vergleichsfetischisten wie mich: Das ist mehr als das Bruttosozialprodukt von Finnland und Ungarn zusammen.
Nochmals zum Zunge schnalzen: Von Finnland und Ungarn zusammen.
Ich selbst bin ja kein Fan von Rieseneinkaufscentern. Tante Emma war immer meine beste Freundin, doch leider hat sie auch in Amerika das Zeitliche gesegnet. Heute bestimmen die Verteilungsgiganten, was auf den Teller kommt. Häufig ist dabei gar kein Teller mehr im Spiel. Als ich heute zur besten Vesperzeit Abends um sechs Uhr im Städtchen Gothenburg anhielt, stolzes Zentrum des Weizenanbaus von Nebraska, gabs zum Essenfassen wie die Tage zuvor nur die Bude von Kentucky Fried Chicken. Ich konnte den grinsenden Fatzke auf deren Logo schon nicht mehr sehen, und beim Gedanke ans angebotene Futter wurde mir schwummrig. Zwar sagt man im Schwäbischen, „Hauptsache, d’ Ranza spannt“, doch der spannte bei mir noch von der letzten Portion frittierter Fleischfetzen, die als Huhn deklariert waren, aber wie Vogonen aussahen. Und vor allem auch so schmeckten. In Gothenburg wurde mir das Essen in einem buntbedruckten Eimer gereicht, auf dem zu lesen war, dass diese Speise neben Muttermilch das Nahrhafteste sei, was die Welt zu bieten habe. Kein McDonald's, kein Wendy's, kein Pizza Hut, kein Burger King, kein Taco und kein Kentucky Fried Chicken kommt ohne einen Nutrition Plan daher, der den Konsumenten vorgaukelt, wie gesund Fast Food doch ist. Dabei ist immer von Low Fat die Rede, also von Fett, das nicht fett macht.
Seltsam, dass die Leute trotzdem aussehen wie Tonnen. Durch die Supermärkte müssen sie in rollstuhlähnlichen Gefährten um die Regale kurven, weil sie schon nicht mehr gehen können. Und ich konnte stets jede Wette eingehen, dass einer von ihnen mir gerade den letzten Zehner-Pack Muffins mit lecker Zuckerguss darauf wegschnappte.
Junk Food macht süchtig, da gibts keinen Zweifel, und das nicht nur in Amerika, sondern auf der ganzen Welt. McDonald's unterhält rund um den Globus 30000 Restaurants, und jährlich kommen 2000 dazu. Kentucky Fried Chicken hat alleine in China 800 Läden, und als ich einmal durch Hohhot radelte, die Hauptstadt der Inneren Mongolei, führte mich der Weg schnurstracks zur örtlichen Hähnchenbrutzelei. Natürlich marschierte ich rein, und die einzige Reminiszenz an die Kultur des Landes war die in mongolischer Sprache geschriebene Speisekarte. Auch so kann man die Welt erobern: Mit Fleischklopsen, frittierten Hühnerschenkeln und Pizzaschnitten.
Doch wer war ich, das Fähnchen des Vegetariers zu schwenken?
Wie die letzten Tage nahm ich auch in Gothenburg meine Henkersmahlzeit
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