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Hamburger, Hollywood & Highways

Titel: Hamburger, Hollywood & Highways Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Oliver Bachmann
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ohne Murren entgegen, und machte sie noch während der Fahrt nieder. Dieses Mal hatte es Folgen. Dieses Mal führte es mich direkt auf den nächstbesten Acker, und damit zur Philosophie. Denn auf einmal wurde mir schlecht. Ach was, schlecht ist gar kein Ausdruck, mir wurde speispuckübel. Wie einst bei Douglas Adams wanderte mein Blick hoch zum Firmament und ich flehte nach Erlösung. Herr, lass Alkaseltzer vom Himmel fallen, oder schicke einen vogonischen Bautrupp vorbei, der dieses irdische Jammertal pulverisiert. Doch nichts geschah. Die Sterne über Nebraska blinkten gleichmütig auf mich herab, und ein halber Mond lauschte gelangweilt meinen heiligen Schwüren, nie wieder etwas zu essen, was vorher frittiert werden muss, damit keiner sieht, dass es sich um Lego-Bausteine handelt. Den Schwur hielt ich durch. Bis ich am nächsten Morgen ausgehungert Booneville erreichte, und auf der ganzen Strecke an nichts anderem vorbeigekommen war als weiteren Junk Food-Stationen. Also hielt ich an der örtlichen Tankstelle, wo mir das Kentucky Fried Chicken- Logo entgegengrinste. Dort sagte ich, „geben Sie mir irgendwas“, und das bekam ich auch. Irgendwas.
    Ich hab's gegessen.
    Viel passierte nicht mehr auf den nächsten 400 Kilometern. Ich kam durch Omaha und verfuhr mich in der hügeligen Stadtlandschaft, in der es vor allem eines gibt, nämlich Schlachthäuser. Dann erreichte ich Des Moines, die Hauptstadt des Bundesstaates Iowa, und gratulierte Bill Bryson dazu, die Flucht ergriffen zu haben. Sonst habe ich keine Erinnerung an Des Moines, weder gute noch schlechte, so gesichtslos war der Ort. Danach gings wieder an endlosen Feldern vorbei, auf denen große, silberne Türme die einzigen markanten Kennzeichen waren. Kein Zweifel, was bei uns der Kirchturm, ist in Iowa der Silo. Wenigstens konnte ich auf meinem Weg Richtung Osten noch einige hübsche Ortsnamen sammeln, denn ich durchquerte Kellogg, Monroe, Prairie City – alles anders als eine City –Victor und Oxford. Am Abend erreichte ich die Quad Cities, ein Konglomerat aus den Städten Davenport, Bettendorf, Iowa und Moline. Natürlich nahm ich mir vor, in Bettendorf zu nächtigen, bei diesem hübschen Namen, und dazu durfte ich erneut eine Landesgrenze überqueren, die nach Illinois. Zum ersten Mal seit Salt Lake City kam so etwas wie urbanes Gefühl auf, wenn auch auf sanften Pfoten. Die Quad Cities sind eine großzügig angelegte Parkstadt, in welcher der kurzgeschorene Rasen ein unbarmherziges Regime führt. Selten habe ich so viel akkurat geschnittenes Gras gesehen, und ich nahm mir vor, sollte es mal hart auf hart kommen, nach Bettendorf zu ziehen und eine Menge Kohle mit einem Großhandel für Rasenmäher zu machen. Endlich fand ich ein nettes Motel, und ließ mir dort den Weg zum Mississippi erklären. Mittlerweile hatte Mark Twain John Steinbeck als Bettlektüre abgelöst, und die Nacht davor hatte ich trotz Bauchgrimmens über die Abenteuer von Tom Sawyer geschmunzelt. Köstlich, wie er die Jungs im Dorf wieder mal austrickste, als er die Strafe seiner Tante, einen riesigen Zaun vor dem Haus zu weißeln, in ein lukratives Geschäft umwandelt. Am Ende streichen seine Kumpels den Zaun, und geben ihm dafür auch noch ihre Schätze, bestehend aus Glasmurmeln, Angelhaken und Vogelfedern. Was waren das noch wildromantische Zeiten am Großen Fluss gewesen, doch als ich jetzt seine Ufer erreichte, war nichts davon zu spüren. Neben mir röhrten Greyhound-Überlandbusse aus einem Parkdeck, hinter mir schepperten Züge in den Bahnhof, über mir rauschten Autos über eine doppelstöckige Straße. Ich machte mich schleunigst aus dem Staub, entfloh der Stadt und fand nach einigem Suchen doch meinen Tom Sawyer-Platz. Dort saß ich lange, blinzelte auf den Strom und fuhr in Gedanken im selbstgebauten Boot hinab nach New Orleans. Mississippi, 3770 Kilometer lang, du Fluss der Legenden. Dein Name, dachte ich, ist ein gutes Beispiel für die Sprachverwurstung. Indianerstämme, die an seinem Ufer siedelten, wie Algonquin und Ojibwa, nutzten Anishinaabe als gemeinsame Sprache. In ihr tauchte der Begriff „Misi-ziibi“ auf, was Großer Fluss bedeutet. Französische Trapper schnappten das Wort auf, sprachen es aber „Messipi“ aus. Daraus machten englischsprachige Siedler, mit der schnellen französischen Zunge nicht vertraut, Mississippi. Dabei ist es geblieben. Ähnliches passiert immer wieder, auch in unseren Zeiten. Der Titel des Kultfilms von Regisseur Quentin

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