Hamburger, Hollywood & Highways
sondern für die Seele: Spoonbread, Roast Chicken with Chestnuts, Uncle John's Ribs of Beef , dazu Chocolate Punch und Bier der lokalen Brauerei vom Sugar Hill. Ich haute kräftig rein, während Emily das Essen mit der Gabel von rechts nach links und von links nach rechts über den Teller schob.
So kannte ich das. Ich hatte sie während eines Schriftstellertreffens in Schottland kennen gelernt. Emilys neuer Roman „The Professor's Daughter“ war soeben erschienen, und der Guardian hatte ihr scharfsinniges Essay über Barack Obama abgedruckt. In beiden Werken ging es um Amerikas Probleme mit mixed cultures . Emily wusste, von was sie schrieb: Ihre Mama ist weiß, ihr Vater der erste schwarze Dean der Princeton Universität.
„Die ersten Jahre wohnten wir außerhalb vom Campus“, erzählte Emily. „Paps hatte ein anständiges Auto, wie es sich für einen Dean gehört. Fuhr er morgens zur Arbeit, wurde er regelmäßig von den Cops gestoppt. Ein Schwarzer in so einem schicken Wagen musste entweder Zuhälter oder Drogendealer sein.“
War er aber nicht. Sondern der Dekan der katholischen Fakultät einer amerikanischen Eliteuniversität.
In „The Professor's Daughter“ spiegelt Emily ihre Familiengeschichte wieder, die typisch ist für viele Schwarze. Ihr Vater, in Armut am Mississippi aufgewachsen, musste als Kind noch mit ansehen, wie sein Dad, Emilys Großvater, von Weißen öffentlich gelyncht wurde. Trotzdem gelang es ihm – oder vielleicht gerade deshalb – dem Elend zu entkommen und Karriere zu mache, um am Ende trotzdem Tag für Tag von Polizisten abgepasst zu werden.
„Schwarz zu sein“, sagte Emily, „oder braun oder irgendetwas dazwischen ist in Amerika noch immer ein Zeichen der Zweitklassigkeit. Es gibt kaum Vermischung. In New York ist das nicht anders. Auf den ersten Blick erscheint es wie ein melting pot . Die Leute arbeiten zusammen, zumindest in einigen Branchen. Aber sie leben nicht zusammen. Die Kulturen bleiben unter sich. Es gibt nur einen kulturellen Gleichmacher in der Stadt: Das ist die Subway .“
Der berühmte A-Train, von Duke Ellington zur Unsterblichkeit gesungen, hatte mich nach Harlem gebracht. Ich hatte tatsächlich das Gefühl gehabt, die ganze Welt saß mit im Waggon.
„Obama schafft neue Hoffnung“, sagte Emily. „Die Hoffnung auf Änderung. So etwas hat es in diesem Land schon lange nicht mehr gegeben.“
„Was passiert, wenn er die hohen Erwartungen nicht erfüllt?“, fragte ich.
„Dann …“, sagte Emily und schob ihr Essen über den Teller. Von rechts nach links, von links nach rechts.
„Dann …?”
Sie sprach nicht aus, was mir viele in den letzten Monaten gesagt hatten. Dann kommen wir alle nach Europa und bitten um Asyl. Sie hatten es im Spaß gesagt – aber es steckte immer einiges an Ernst dahinter.
„Dann“, fuhr Emily fort, „behalten meine Eltern Unrecht. Sie sagten, you are a product of America's most optimistic moment. Obama, ähnlicher Abstammung, ist ebenfalls ein Produkt dieses Optimismus.”
In diesem Augenblick trat der Wirt an unseren Tisch.
„Keinen Hunger?“, fragte er Emily, als er meinen leeren und ihren vollen Teller sah.
Er trug ab und meinte, „ich packs dir ein. Der Appetit kommt, du wirst sehen.“
Als wir gingen, hatten wir ein Päckchen Essen mit dabei. Das war gut so. Soul-Food ist schließlich nicht nur für den Leib, sondern für die Seele gedacht. Und die musste einiges an Hunger erleiden im Amerika der letzten acht Jahre.
Daran dachte ich, als ich dem Fischer zusah, wie er seine Angel auswarf, einholte, auswarf, einholte, wieder auswarf.
Dann holte er sie ein letztes Mal ein.
„Beißen sie nicht?“, rief ich.
Er sah mich misstrauisch an. Ich schlenderte zu ihm.
„Man braucht keine Genehmigung zum Angeln“, sagte er.
Oha. Da verwechselte mich wohl jemand mit der Behörde. Das passiert einem auch nicht alle Tage. Ich stellte klar, dass ich koscher war – Germany, Black Forest, yes, I like the cake – und das löste die Spannung. Der Angler hieß Mike. Er liebte sein ungewöhnliches Revier.
„Brackwasser“, sagte er. „Teils süß, teils salzig. Oben in der Bronx, am Hell Gate, trifft der Long Island Sound auf den Harlem River. Für Fische ist das wie die Wall Street für die Geldsäcke.“
Er machte eine abfällige Kopfbewegung nach Manhattan hinüber. Offensichtlich hatten es sich die Anzugträger auch bei der Fischerschaft von New York verdorben.
„Ich hab’ hier schon Hechte und Zander
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