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Hamburger, Hollywood & Highways

Titel: Hamburger, Hollywood & Highways Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Oliver Bachmann
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eine Crack-Epidemie mit dafür, dass New York zur Stadt mit der höchsten Verbrechensrate wurde. Als die verunsicherten Bürger Guiliani zum Bürgermeister wählten, setzte dieser eine Politik durch, die er „Null Toleranz“ nannte. Auch wenn ihn seine Gegner einen Faschisten schimpften, änderten sich die Verhältnisse. Mittlerweile kann man selbst in der Lower East Side spazieren gehen, was in den 80ern eine höchst ungesunde Idee gewesen wäre.
    „Doch jetzt schlägt das Pendel zurück“, sagte Marianne Barcellonna. Gerade traten wir aus ihrem Atelier unter der Brooklyn Bridge, die sich direkt über unseren Köpfen in mächtigen Bögen hinüber nach Manhattan spannte.
    „Du musst es ja wissen“, antwortete ich. Schließlich lebte Marianne seit 40 Jahren in der Stadt. In den wilden Zeiten von Warhols Factory war sie Andys Haus- und Hof-Fotographin gewesen. Seither gab es kaum eine Berühmtheit, die nicht irgendwann vor ihrer Linse posiert hatte. Mittlerweile hatte sie sich auch einen Namen als Malerin gemacht. Normalerweise war Politik nicht ihre Sache, aber heute war nicht normalerweise. Heute war eine Woche nach dem Schwarzen Montag.
    „Als ich das Atelier bezog“, erzählte sie, „lag rundum ein düsteres Viertel. Es gab nicht mal Straßenlampen. Ich habe mich nur tagsüber hergetraut. Kaum vorstellbar heute.“
    Sie hatte Recht. Um uns wogte das DUMBO-Festival. DUMBO stand für Down Under the Manhattan Bridge , wo sich mittlerweile mehr als 600 Künstler angesiedelt hatten. New Yorks Erscheinungsbild hatte sich grundlegend geändert, doch nun ging die Angst um, dass die Goldenen Zeiten vorbei waren.
    „In den 80ern haben sie in der Bronx ganze Häuserzeilen abgefackelt. Rückte die Feuerwehr an, wurde sie beschossen“, sagte Marianne. „Heute lebt dort die Mittelschicht.“
    In den letzten Tagen hatte ich allen fünf Stadtteilen von New York einen Besuch abgestattet. Ich habe so eine Angewohnheit, immer der Nase nach zu gehen, ohne Hilfe einer Karte. Das bringt mich zuverlässig zu den schönsten Ecken. Ich startete meine Wanderungen in Brooklyn, wo ich mir im Viertel Williamsburg eine Wohnung gemietet hatte. Kilometer um Kilometer lief ich durch die Straßen, denen Mario Puzo und Norman Mailer so manches literarisches Denkmal gesetzt hatte. Dann war Queens an der Reihe, die Bronx, Staten Island und Manhattan. So weit ich sehen konnte, gabs nur in Gegenden mit housing projects , dem amerikanischem Pendant der Plattenbausiedlung, soziale Brennpunkte. Ansonsten: South Chicago oder West Hollywood lagen auf einem anderen Planeten.
    „Ohne funktionierende Wall Street geht der Stadt aber schnell das Geld aus“, sagte Marianne. Diese Meinung vertraten eine Menge Leute, denn der Finanzsektor war mit 470000 Jobs größter Arbeitgeber der Stadt. In nur einer Woche hatten dort 50000 Menschen ihre Arbeit verloren. Da es in New York kaum produzierendes Gewerbe gibt, prophezeiten die Analysten einen Anstieg von leisure jobs : Dazu zählen DJs, Bartender, Hot-Dog-Verkäufer, und andere Dienstleistungen im Freizeitgewerbe. Allein in Manhattan schlagen sich bereits 370000 Leute auf diese Weise durch – mit Minieinkommen und ohne Krankenversicherung.
    „Was mir ebenfalls Angst macht“, fuhr Marianne fort, „ist die Korruption. Es gibt immer mehr Typen vom Schlage eines Charles Rangel.“
    Dessen Geschichte geisterte seit Wochen auf den ersten Seiten der Tageszeitungen herum. Rangel war Kongressabgeordneter. Kein kleiner Fisch, sondern fürs nationale Steuergesetz zuständig. Vor ein paar Jahren hatte er sich eine Villa in der Dominikanischen Republik unter den Nagel gerissen, wobei einiges nicht mit rechten Dingen zuging. Die vermietete er für gutes Geld, vergaß aber ganz, dafür auch Steuern zu bezahlen. Das allein brachte das Volk noch nicht auf die Palme. Dafür seine faule Ausrede, als die Sache aufflog, dass er kein Spanisch könne. Und die Burschen dort unten würden nur in dieser unverständlichen Sprache reden. Da schwoll seinen Wählern der Kamm. Denn Rangels Wahlbezirk lag ausgerechnet in East Harlem, dem puerto-ricanischen Viertel von New York. Dort spricht man vor allem eines: Spanisch. Jetzt fragten sich die Leute: Wen hat Rangel mehr beschissen? Seine Wähler oder den Staat? Die einflussreiche watch group „Citizens for Responsibility and Ethics“ fackelte nicht lange und setzte ihn auf Rang Eins ihrer Liste der zwanzig meist korrupten Politiker im Kongress.
    „Allein, dass es diese Liste

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