Hanan 2 - Weltenjäger
stürzten zusammen.
Aiela gab den Versuch zu widerstehen auf. Erschöpfung überfiel ihn. Wie jemand, der gegen seinen Willen bergab rast, wagte er nicht, anhalten zu wollen; er konzentrierte sich nur darauf, das Gleichgewicht zu halten, seinen Weg durch halberforschte Kontakte zu finden, durch unbekannte Gedankenmuster, die zu schnell vorbeirasten. Die Kontakte vervielfältigten sich, verwoben sich zu Mustern; Empfindungen lösten sich in Ordnungen auf, Beobachtungen ergaben ein verständliches Bild: Körpergefühl, Berührung, Gleichgewicht, Vorstellungsvermögen – der Raum wand sich aus der Dunkelheit und nahm um sie herum Gestalt an.
Plötzlich drängten tiefere Empfindungen in eine Struktur. Aiela unterwarf sich Daniels Bezugssystem, in dem das Recht menschlich gefärbt und das Unrecht fremdartig war, wo Moral und Normalität eine Form annahmen, die er kaum ohne Schaudern ertragen konnte. Er griff verzweifelt nach den Sprachzentren, um größere Bezüge zu erfassen und stellte eine dringendst benötigte Verbindung her.
»Ich«, sagte er stumm in der menschlichen Sprache. »Ich – Aiela. Halt. Halt! Denke langsam. Denke an jetzt. Passe deine Gedanken der Geschwindigkeit deiner Worte an. Denke die Worte, Daniel: deine Sprache, meine Sprache, kein Unterschied.«
»Was...«, der erste Versuch einer Antwort. Außerhalb von Aielas Geist hatten die Laute keine Bedeutung für den Menschen.
»Weiter. Du verstehst mich. Du kannst meine Sprache verwenden, und ich die deine. Unsere Fähigkeiten der Sprachbeherrschung sind miteinander verschmolzen.«
»Was...« Tod war in seinem Bewußtsein, ein nagender Zweifel, der sie beinahe auseinanderzwang. »Was wird mit mir geschehen? Wer bist du?«
Seine Mitteilungen bestanden aus einem Geplapper in kalliranischer und amautischer Sprache mit iduvischen Brocken dazwischen, teils gesprochen, teils gedacht, Echo auf Echo. Er sendete auf mindestens drei Ebenen gleichzeitig, ohne zu wissen, welche dominant war.
›Heim, Hilfe, heim‹
, das war eine beständige Unterströmung.
»Sei ruhig«, sagte Aiela. »Du bist in Ordnung. Du bist nicht verletzt.«
»Ich bin – weit, sehr weit von Zuhause weg. Ich weiß nicht einmal, wo ich bin, oder warum ich hier bin. Ich weiß...«
›Nein, nein, keine Anklage; freundlich sein zu ihm, freundlich, mach ihn nicht wütend.‹
»Ich weiß, daß du es gut meinst, daß ich – anständig behandelt werden« – Käfige waren in seinen Gedanken; er glaubte, sie seien nur außer Sicht, auf der anderen Seite der Wand, Schreie, entsetzlicher Lärm und Dunkelheit.
›Zumindest sieht er menschlich aus‹,
hieß es auf der zweiten Ebene.
›Sieht so aus. Scheint nur so. Ist aber nicht. O Gott, hilf mir!‹
»Aiela, ich – verstehe. Ich bin dankbar, Aiela...«
In seiner Angst versuchte Daniel verzweifelt sich abzuschirmen. Es kostete ihn eine entsetzliche Anstrengung. Allem zugrunde liegend war eine schreckliche Angst, Angst vor dem Vergessen, Angst, völlig den Verstand zu verlieren. Aber er würde sich fügen, sich anpassen, alles, alles tun, um diese Chance nicht zu versäumen. Es war gefährlich. Es zerrte an ihnen beiden. Aiela schirmte sich kurz ab, machte ein Ende damit.
»Ich weiß nicht, wie ich dir helfen soll«, sagte Aiela freundlich. »Aber ich versichere dir, daß ich dir nicht schaden will. Du bist in Sicherheit. Sei beruhigt.«
›Informationen – sie wollen‹
– die Heimat kam ihm in den Sinn, weit entfernt, eine Welt aus rotem Stein mit bizarren Felsstöcken und einem tiefblauen Himmel. Die Erinnerung traf auf Aielas Vermutungen; die Höhlen der Amaut-Welten, menschliche Arbeitskräfte, und das verwirrte Daniel sehr.
›Vergangenheit oder Zukunft?‹
fragte sich Daniel.
›Meine Welt? Ist das meine Welt? Ist es das, was auf mich zukommt?‹
Aiela zog sich zurück und versuchte, die Gedanken des Menschen von seinen eigenen zu trennen. Übelkeit befiel ihn. Die Schrecken des Menschen schienen sich auf ihn zu übertragen, unheimliche Dinge, fremd; und die Amaut waren der Mittelpunkt all dieser Alpträume.
»Wie bist du denn hierhergekommen?« fragte Aiela. »Woher kommst du, wenn nicht von den Amautwelten?«
›Und wo ist hier, und wer bist du?‹
gab der Mensch innerlich zurück; aber in der blitzschnellen Folge von Gedankenbildern kamen Antworten auf Aielas Fragen, erst zufällig, dann wohlüberlegt – Erinnerungen an die kleine Welt, die seine Heimat gewesen war: Armut, andere Menschen, Zorn, ein entwurzeltes Volk, voll
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