Hanan 2 - Weltenjäger
umgeformt, wie sie war. Die Kraft bewegte sich über die Wände seines Bewußtseins, fühlte etwas, suchte, aggressiv und ängstlich zugleich. Sie wurde zum Alptraum. Aiela schaltete seinen Blick auf das Jetzt zurück und zerstörte das Bild, verweigerte ihm den Einlaß und sah, wie der Mensch zurückzuckte und zusammenbrach.
Er war nicht bewußtlos, Aiela wußte das von seinem eigenen Erwachen. Er lag einfach da und wartete, wartete, fügte vielleicht seine mißbrauchten Sinne zu einer Art Ordnung zusammen. Vielleicht hatte er auch den Wunsch zu sterben. Aiela verstand diese Reaktion.
Noch einige Male wurde das Häßliche lebendig und schlich an den Grenzen seines Bewußtseins entlang. Jedesmal floh es, als habe es gelernt, vorsichtig zu sein.
»Bist du in Ordnung?« fragte Aiela laut. Er drückte sich durch den Klang, nicht durch die Worte aus. Er legte Besorgnis hinein. »Ich werde dich nicht berühren. Bist du in Ordnung?«
Der Mensch stieß einen Laut aus, der wie ein Schluchzen klang, rollte sich auf die Seite und machte dann, als ob er plötzlich seinen Mangel an Elethia gegenüber einem Mann bemerkte, der immer noch ruhig dasaß und auf ihn wartete, einige ungeschickte Bewegungen und zog sich im Sitzen hoch; er ließ einen Moment lang den Kopf auf die Arme fallen und machte dann Anstrengungen, sich zu erheben.
Aiela wollte ihm helfen. Das war ein Fehler. Der Mensch wich zurück und taumelte gegen die Wand, in die Ecke, in einer ähnlichen Haltung wie früher in der Zelle.
»Es tut mir leid.« Aiela verbeugte sich und ging zurück zu seinem Platz auf der Bettkante.
Der Mensch richtete sich nun auf und stieß einen zitternden Seufzer aus, als er stand. Er tastete wieder nach der Narbe an seiner Schläfe. Aiela fühlte sofort den Druck, fühlte ihn weichen, als Daniel seine Gedanken zurückzog.
»Daniel«, sagte er; und als Daniel ihn neugierig, mißtrauisch ansah, wandte er den Kopf zur Seite und ließ ihn die sich schwach abzeichnende Narbe an seiner eigenen Schläfe sehen.
Dann nahm er seinerseits Verbindung auf; er hatte nur eine ganze leichte Berührung vor.
Daniels Augen weiteten sich. Das Häßliche bäumte sich auf, ein schrecklicher Anblick, die Vision verschwand. Er schrie, warf sich gegen die Tür, stürzte sich, wahnsinnig vor Angst, auf Aiela. Aiela packte ihn bei den Handgelenken, drang in seine Gedanken ein und versuchte, das Entsetzen zu ignorieren, das zu ihm zurückflutete. Einer von ihnen wußte das Chiabres zu beherrschen: ohne Kontrolle konnte es unvorstellbaren Schaden anrichten. Aiela kämpfte, verlor die Verbindung mit seinem eigenen Körper: Schweiß überströmte ihn, machte seine Hände schlüpfrig; seine Muskeln begannen zu zittern, so daß er überhaupt keinen Halt mehr fand; er wußte, daß er sich in körperlicher Gefahr befand, aber die geistige war noch größer. Ein Sinn nach dem anderen warf er ins Spiel, suchte, was er wollte, und las das Ergebnis an dem Schmerz ab, der zu ihm zurückströmte. Alptraumgestalten.
Und plötzlich krachte die notwendige Schranke zwischen ihnen herunter, so schmerzhaft, daß er aufschrie: mit einer instinktiven Reaktion hatte sich der Mensch abgeschirmt. Sie waren getrennt. Sie waren wieder Einzelpersonen.
Langsam löste er sich aus dem Griff des Menschen; der konnte ihn nun angreifen, aber er bewegte sich nicht, starrte ihn nur an, war ebenso verwundet wie er selbst. Vielleicht hatte ihn Aielas Aufschrei erschreckt. Aiela tastete nach dem Handgelenk des Menschen und ergriff es, nicht drohend, sondern in einer Geste des Trosts.
Er zwang sich zu einem Lächeln, einem zufriedenen Nicken, und Daniels Hand schloß sich – plötzlich ein erstaunter Blick, ein Geräusch, halb Lachen, halb Schluchzen.
Er verstand.
»Ja«, antwortete Aiela, lachte beinahe selbst aus purer Erleichterung. Diese Gemeinsamkeit öffnete die Schranken.
Und er schrie schmerzlich auf bei der Kraft, die der Mensch sendete. Er griff sich an den Kopf, zeigte, daß er verletzt war.
Daniel versuchte aufzuhören. Der geistige Druck kam schubweise, mit Pausen des Schweigens, Lichtblitzen und Strömen von Emotionen. Die Dunkelheit formte sich zu einer weniger abscheulichen Gestalt. Es war kein Angriff. Der Mensch wollte: er war schon so lange allein, so lange hilflos, unfähig, sich mitzuteilen – er wollte. Er weinte hysterisch und zog die Hände zurück, zitternd vor Angst und dem Wunsch, jemanden zu berühren, zu ergreifen, der ihm Hilfe anbot.
Die Schranken
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