Hanan 2 - Weltenjäger
vergrößerte.
Aiela unterbrach die Verbindung, im Nachhinein noch zitternd und angeekelt. Daniel war ähnlich angegriffen, und einen Augenblick lang bewegte sich keiner von ihnen.
›Hat nichts zu sagen, hat nichts zu sagen‹
, schoß es durch Daniels Bewußtsein, eine Erinnerung an Aielas Freundlichkeit, ein Auffangen seines Mitleids für ihn.
›Jede Bedingung, alles‹
. Er bemerkte, daß Aiela diese Gedanken auffing, und schirmte sich mit verletztem Stolz ab. »Es tut mir leid«, er formte diese Worte bewußt. »Ich hasse dich nicht. Aiela, hilf mir, ich will nach Hause.«
»Nachdem, was ich gesehen habe, Daniel, fürchte ich sehr, daß es für dich kein Zuhause mehr gibt.«
›Bin ich allein? Bin ich der einzige Mensch hier?‹
Der Gedanke entsetzte Daniel; und doch versprach er das Ende der Menschenkäfige; aber enthielt andere Bilder, ihn selbst, für immer allein, ein Opfer von Fremden – Amaut, Kallia, Fremde, die in seinem Kopf bunt durcheinanderwirbelten.
»Du bist in Sicherheit«, versprach ihm Aiela; und war sich sofort bewußt, daß das eine Lüge aus Vergeßlichkeit war. Augenblicklich entschlüpfte die Erinnerung aus der Abschirmung.
›Sie. Sie...‹
Daniel erwischte einen Gedanken und ein Bild der Iduve, von dunkler Schönheit, aus altem Geschlecht, böse; die ganze Angst, die in den kalliranischen Legenden eingefangen war. Er brachte das Bild in Verbindung mit der Schattengestalt, die er in der Zelle gesehen hatte und geriet nun erst recht in Panik, als Aiela versuchte, sich abzuschirmen.
›Nein! Wozu hast du dich hergegeben? Aiela!‹
»Nein!« Aiela kämpfte gegen die Ströme von Entsetzen. »Nein. Ruhig. Ich werde dich unter Beruhigungsmittel setzen lassen, Nein! Hör auf damit! –, damit dein Geist sich entspannen kann. Ich bin müde. Du auch. Du bist in Sicherheit, und ich werde später zurückkommen, wenn du ausgeruht bist.«
›Du willst ihnen Bericht erstatten – und ich muß hier liegen...‹
Der Mensch erinnerte sich an frühere Gelegenheiten, als er aufgewacht war und fremde Hände, den grausamen Humor seiner Artgenossen zu spüren bekommen hatte. Der Magen drehte sich ihm um, eine so tiefe Angst ergriff ihn, daß kein vernünftiges Zureden half. Auf dem Schiff waren Amaut: Er fürchtete, sie würden ihn berühren, während er bewußtlos war.
»Du wirst von hier fortgebracht«, beharrte Aiela. »Du wirst in einer bequemen Wohnung neben meiner aufwachen, und du wirst frei sein, völlig in Sicherheit, ich verspreche es dir. Ich werde die Amaut völlig von dir fernhalten, wenn dir das irgendwie hilft.«
Daniel hörte zu, wollte ihm glauben, konnte es aber nicht.
Glücklicherweise war der diensthabende Wärter ein Kallia und dazu von freundlichem Wesen, und bald war der Mensch im Bett versorgt und glitt langsam über die Schwelle der Bewußtlosigkeit. Seine Gedanken suchten weiter nach Aiela, er wollte ihm vertrauen, fürchtete aber immer noch, in einem unglaublichen Alptraum aufzuwachen.
»Ich werde in der Nähe sein«, versicherte Aiela, aber er wußte nicht, ob der Mensch das noch empfing, denn die Verbindung wurde so dunkel und tot wie die mit Isande.
Er fühlte sich nun seltsamerweise wie amputiert, ganz verlassen und sehnte sich – was er nie für möglich gehalten hätte – nach einer Berührung seiner Asuthe, nach ihrem vertrauten, kalliranischen Wesen, nach ihrer Fähigkeit, seine schlimmsten Ängste auf die leichte Schulter zu nehmen. Selbst wenn er in diesem Augenblick von dem Menschen getrennt würde und diesen Geist nie mehr berühren müßte, so wußte er doch, daß er bis ans Ende seiner Tage nicht vergessen konnte, ein paar Augenblicke lang ein Mensch gewesen zu sein.
Er hatte einen Schaden davongetragen. Er wußte es und wünschte sich verzweifelt, es ungeschehen zu machen, da er befürchtete, daß nicht einmal Isande mit ihrer Erfahrung ihm helfen konnte. Sie hatte versucht, ihn zu warnen. Trotz ihres Rates hatte er sich dem Menschen geöffnet, ohne mit anderen Gefahren als den offensichtlichen zu rechnen, hatte nach seinem eigenen Gutdünken gehandelt, mit Kastien gegenüber einem verwundeten, einsamen Geschöpf.
Er hatte gewählt. Er konnte Isande genausowenig Schaden zufügen, wie er selbst sich freiwillig für den Schmerz entscheiden konnte: so iduvisch sie auch war, er kannte sie doch bis in ihr eigensinniges Herz hinein, wußte um ihre Elethia und ihre Treue; sie verdiente keinesfalls und von niemandem ein Leid.
Ebensowenig der Mensch.
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