Hanan 2 - Weltenjäger
der Mensch zurückzuckte. Er sprach leise, versuchte es ohne Erfolg mit amautischen und kalliranischen Worten, und als er schließlich glaubte, den Menschen weit genug beruhigt zu haben, wagte er eine Gedankenberührung.
Ein Miasma verschwommener Gefühle kam zurück: Schmerz – Panik – Verwirrung. Der Mensch wimmerte vor Angst und bewegte sich, und Aiela zog seine Gedanken zurück. Seine eigenen Hände zitterten. Es dauerte einige Zeit, bis der Mensch wieder normal atmete.
Aiela versuchte, ihn noch einmal anzusprechen, lange Zeit tat er nichts anderes. Die Augen des Menschen starrten ihn unverwandt an, tierhaft und eindringlich: zeitweise spiegelten sie ein Gefühl – einen Blick voll Angst, voll Verwirrung.
Schließlich schien das Wesen ruhiger, schloß für kurze Zeit die Augen und nickte, sichtlich erschöpft, ein. Aiela ließ es zu. Nach kurzer Zeit öffneten sich die braunen Augen wieder, richteten sich auf ihn: Das Gesicht des Menschen verzerrte sich ein wenig vor Schmerz – seine Hände stemmten sich gegen die Fesseln. Dann wurde er wieder ruhig und atmete fast normal: Er ertrug seine Lage mit einer solcher Gelassenheit, daß Aiela versucht war, wieder eine Gedankenberührung zu wagen, aber er hielt sich zurück, verließ statt dessen das Bett und kehrte mit einer Tasse voll Wasser zurück.
Der Mensch hob den Kopf, stützte sich, während er die Tasse leerte, vertrauensvoll auf Aielas Arm und sank dann zurück; sein Keuchen stand in keinem Verhältnis zu der Anstrengung. Er wollte etwas. Seine Lippen preßten sich zu einem blassen Strich zusammen. Er stammelte etwas, das mit den Amaut zu tun hatte.
Er konnte also sprechen. Aiela setzte die Tasse ab und sah mit einiger Erleichterung auf ihn hinab. »Hast du Schmerzen?« fragte er auf amautisch, soweit seine kalliranischen Lippen diese Laute bilden konnten. Es hatte nicht den Anschein, als sei er verstanden worden. Er ließ sich wieder auf dem Bettrand nieder.
Der Mensch starrte ihn an, immer noch schwer atmend. Dann flog ein schneller Blick zu den Fesseln hinunter, wieder zurück, flehend – das Zeichen wurde wiederholt. Als Aiela nicht reagierte, glitten die Augen fort von ihm, zur Wand. Auch das war deutlich genug.
Es war Wahnsinn, so ein Risiko einzugehen. Er wußte es. Der Mensch konnte sich leicht selbst etwas antun, konnte ihn töten.
Er wurde wie Isande, die dieses Geschöpf haßte, die es schroff behandeln würde; wie die Iduve, die die Idoikkhe schufen und alles ihren Wünschen unterwarfen, die ein Wesen leiden sehen konnten und dabei ungerührt blieben.
Lieber wollte er sterben, als sich einer solchen Logik anzupassen. Lieber wollte er zugeben, daß es nur geringe Unterschiede gab zwischen diesem elenden Geschöpf, das wenigstens versuchte, seine Würde zu bewahren, und einem kalliranischen Offizier, der mit dem Zeichen der Iduve-Leibeigenschaft am Handgelenk herumspazierte.
»Komm«, sagte er und löste schnell hintereinander eine, dann die anderen Fesseln, ohne Rücksicht auf die Iduve, ohne Rücksicht auf Isandes Besorgnis um ihn. ER traf die Wahl, er selbst entschied, was er tun sollte, und sollte er sterben, so war das leichter, als die Befehle der Iduve auszuführen und dieses unglückliche Wesen in Schrecken zu versetzen. Er hob den Menschen in eine sitzende Stellung, stützte ihn von der Seite; die blassen, kräftigen Hände umklammerten seinen Arm, und der Mensch sah ihm verstört ins Gesicht.
Entsetzen.
Daniel fuhr zusammen; er schnitt eine Grimasse, griff sich an den Kopf, entdeckte den Einschnitt und geriet in Panik. Er schnellte hoch, warf sich auf die Fliesen und lag da, den Kopf in den Händen vergraben, wimmernd, sinnlose Worte stammelnd.
»Daniel«, Aiela hielt den Atem an und schirmte sich dicht ab: Er wußte nur zu gut, was der Mensch jetzt empfand; dieses erste, entsetzliche Erkennen des Chiabres, das Wissen, daß man in sein eigenstes Wesen eingegriffen hatte, daß da außer ihm noch jemand in seinem Kopf war. Aiela fühlte einen Druck auf seinem Schutzschirm, eine dunkle Kraft zerrte blind an den Rändern seines Bewußtseins, hilflos, unheimlich, und im Augenblick völlig ungeschützt, wie ein Neugeborenes.
Er ließ dem Menschen Zeit, diese Kraft zu erforschen, ihre Stärke zu ermessen und schließlich zu entdecken, daß sie zum Teil seinem Willen gehorchte. Aiela saß still da, streng abgeschirmt, Schweiß lief ihm den Körper hinunter; er würde ihr nicht nachgeben, niemals – sie war gefährlich,
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