Hand in Hand in Virgin River
erste Sitzung, und wir werden uns mit der Zeit schwierigeren Themen zuwenden. Bist du damit einverstanden?“
„Ja“, antwortete sie. „Ich bin schon ziemlich müde. Ich kann mir gar nicht erklären, weshalb – ich musste ja nicht zu Fuß hierher gehen.“
„Das ist in Ordnung. Ich glaube, wir hatten einen recht ordentlichen Start. Du hast dich nicht einmal über meine Kleidung oder meinen Haarschnitt lustig gemacht. So leicht komme ich nicht immer davon.“
„Ich hatte mich entschieden, Ihre Gefühle zu schonen, falls Sie – Sie wissen schon – sensibel sind.“
„Danke. Das ist wirklich fair von dir. Willst du am Montag nach der Schule noch einmal vorbeischauen?“
Courtney straffte den Rücken. „Wie oft muss ich denn hierherkommen?“
„Keine Ahnung“, antwortete er achselzuckend. „Ich vermute, wir werden es beide merken, wenn wir genug haben.“
Sie rutschte bis zur Stuhlkante. „Müssen wir das solange durchziehen, bis die vielen Farben aus meinen Haaren herausgewachsen sind, ich meine Fingernägel rosa lackiere und pastellfarbene Kleider trage?“
Er grinste breit. „Courtney, sieh mich an. Wie sollte ich mir ein Urteil über den Kleidungsstil anderer Leute anmaßen?“
„Haben Sie denn gute Freunde?“
„Ja. Ein paar sehr wertvolle Freunde, in der Tat.“
Sie schnaubte. „ Das klingt vielversprechend! Ich bin am Montag wieder da, doch wir wollen es nicht übertreiben.“
„Abgemacht. Jetzt erkläre ich dir die Grundregeln. Meine. Nicht deine. Ich werde jetzt auch ab und zu mit deinem Dad sprechen, allerdings nicht über dich. Oh – er kann natürlich über dich reden, wenn er möchte, aber ich werde mich von ihm nicht über dich ausfragen lassen. Und du darfst über ihn sprechen, doch ich werde mich nicht bei dir über ihn erkundigen – es sei denn, es gibt einen triftigen Grund dafür, dich etwas zu fragen. Zum Beispiel, falls du mir erzählen würdest, dass er dich regelmäßig schlägt. Dann würde ich dich vermutlich danach fragen. Aber – und jetzt zum anderen wichtigen Punkt – ich werde dir nie erzählen, was er mir gesagt hat oder ihm weitersagen, was du mir anvertraust. Unsere Gespräche sind vertraulich. Du musst dir keine Gedanken machen. Du kannst hier beruhigt all deine Bedenken oder Beschwerden loswerden.“
„Sie erwarten also von mir, Ihnen zu glauben, dass Sie ihm nicht verpetzen würden, wenn ich ihn hier als zwielichtigen, blutsaugenden Mistkerl bezeichnen würde?“
Er lächelte. „So ist es.“
Zu den Dingen, die Lief mit Jerry während der Therapiestunde besprochen hatte, gehörte, was Lief als Kind zu Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein verholfen hatte. Sie waren alles, was Kinder brauchten. Wo oder wie man aufwuchs, spielte keine Rolle. Lief hatte Jerry von zwei Sachen erzählt, die ihn stark gemacht hatten – seine Schreiberei und seine Tiere. Auf der Farm hatte er ein eigenes Pferd und einen Hund besessen.
Weil Courtney kein Interesse am Schreiben zeigte, fand sich Lief eines Tages in Jensens Tierklinik und Stallung wieder. Bevor er dazu kam, sich nach jemandem, mit dem er sprechen konnte, umzusehen, entdeckte er einen Mann, der auf dem Reitplatz mit einem Fohlen arbeitete. Lief lehnte sich an das Gatter und schaute dem Mann eine Zeit lang dabei zu.
Ein junger Mann indianischer Abstammung ließ ein Araberfohlen – ein sehr lebhaftes junges Tier – langsam im Kreis laufen. Das Pferd zog an der Longe, scheute zurück, scharrte mit den Hufen im Sand, und der Mann konzentrierte sich auf die Augen des Fohlens und bewegte seine Lippen, wenn er leise auf das Pferd einredete. Mit der Zeit beruhigte sich das Tier und ließ zu, dass er es im Kreis auf dem Reitplatz herumführte. Manchmal neigte es leicht den Kopf und gestattete, dass ihm der Trainer den Hals streichelte. Der Mann sprach mit dem Fohlen, und es schien, auch wenn es sich verrückt anhörte, als ob das Fohlen nickte.
Der Pferdetrainer bemerkte Lief erst, als er das Pferd vom Reitplatz führte. Er hob eine Hand und sagte: „Hallo. Wir sehen uns im Stall.“
Bis Lief dort eintraf, war das Fohlen schon zum Striegeln festgebunden, und der Mann ging mit ausgestreckten Händen auf ihn zu. „Hallo, guten Tag. Ich bin Clay Tahoma.“
„Lief Holbrook“, erwiderte Lief und schüttelte dem jungen Mann die Hand. „Ich habe Ihnen eine Weile bei der Arbeit mit dem Fohlen zugesehen.“
Clay schüttelte den Kopf. „Wenn ich mit Pferden arbeite, scheine ich nichts anderes mehr
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