Hand in Hand in Virgin River
wahrzunehmen.“
„Ich habe eine vierzehnjährige Tochter. Wenn Sie so beruhigend auf sie einwirken könnten, wie Sie es bei dem Fohlen getan haben, bedenke ich Sie in meinem Testament.“
Clay lachte. „Ich kenne mich wesentlich besser mit Pferden als mit jungen Mädchen aus. Reitet sie?“
„Ich habe ein paar Mal versucht, sie aufs Pferd zu setzen, aber sie hatte Angst. Als ich ihr in L.A. anbot, Reitstunden zu nehmen, zeigte sie keinerlei Interesse. Ich dachte, wir probieren es einfach noch einmal. Können Sie mir jemanden empfehlen? Ich will ehrlich zu Ihnen sein – sie ist manchmal ganz schön anstrengend.“
„Meine Frau und Annie Jensen geben Reitunterricht“, erwiderte Clay. „Sie sind beide sehr gut. Und meine Frau, Lilly, erzählt mir immer Geschichten aus ihrer Teeniezeit, die mich ganz schön alt aussehen lassen. Dazu kommt, dass wir uns eines Tages sehr über eine Tochter freuen würden – sind wir verrückt? Aber so ist es – falls jemand in der Lage ist, einen schwierigen Teenager zu verstehen und mit ihm umzugehen, dann möglicherweise Lilly. Wollen Sie uns einfach mal mit Ihrer Tochter besuchen? Dann kann sie sich die Pferde anschauen und mit den Lehrern sprechen?“
„Passt es Ihnen irgendwann nach der Schule? Vorausgesetzt meine Tochter hat Lust dazu. Ich habe inzwischen gelernt, sie lieber nicht zu etwas zu drängen. Das lohnt den Kampf nicht. Sie kann manchmal ziemlich wütend werden.“
Clay lächelte. „Es gibt da ein altes Navajo-Sprichwort, ich habe es in meiner Jugend andauernd gehört: Man kann niemanden wecken, der vorgibt zu schlafen.
Ihre Tochter könnte ihre verletzliche Seite unter der Wut verstecken.“
„Gibt es noch weitere alte Navajo-Sprichwörter bezüglich des Hauses, in dem man aufwächst?“
„Ja“, erwiderte Clay breit grinsend. „Tu, was ich sage oder so. Und davon gibt’s noch viele Varianten.“
6. KAPITEL
Kellys kleine Lieferung der restlichen Habseligkeiten aus ihrem Apartment in San Francisco traf am Ende ihrer zweiten Woche in Virgin River ein. Sie und Jillian packten die Umzugskartons gemeinsam aus – persönliche Gegenstände wanderten nach oben in die zweiten Etage, Küchenutensilien blieben in der Küche. Es dauerte keinen ganzen Nachmittag, um Kellys Schlafzimmer einzurichten und das Loft in ein komplettes Wohnzimmer mit Tisch, Sofa, Sessel, Beistelltisch und Fernseher zu verwandeln.
„Das sieht sehr gemütlich aus“, meinte Jillian. „Colin und ich werden sicherheitshalber immer an die Wand klopfen, wenn einer von aus irgendwelchen Gründen nach oben geht. Das offene Treppenhaus bietet dir nicht zu viel Privatsphäre, aber immerhin kann man wenigstens die Tür zum Schlafzimmer schließen.“
„Es ist einfach zu gemütlich“, erwiderte Kelly. „Wenn ihr mich in den Keller verfrachtet hättet, wäre die Motivation größer, mir einen neuen Job zu suchen.“
Jillian ließ sich auf Kellys Couch fallen. „Ich wäre glücklich, wenn du nie wieder weggingst.“
„Ohne dich beleidigen zu wollen, Zuckerschnute, doch ich will nicht für ewig bei meiner Schwester wohnen.“
„Das kann ich verstehen. Ehrlich. Kann ich. Allerdings, als ich hierhergekommen bin, fühlte ich mich gewaltig unter Druck, eine Entscheidung treffen zu müssen, was ich als Nächstes tun wollte. Und womit ich mich beschäftigen sollte, während ich darüber nachdenke. Es endete damit, dass ich den Garten zig Mal umgegraben und alles, was mir so einfiel, eingepflanzt habe. Und jetzt ist es genau das, was ich als Nächstes machen werde. Anbauen. Könntest du nicht wenigstens ein paar Monate hierbleiben?“
„Aber ich überlege mir noch nicht mal, was ich als Nächstes tun soll, Jill“, erwiderte Kelly. „Im Moment denke ich nur daran, was ich auf keinen Fall mehr machen will. Ich könnte allen möglichen Leuten, die ich in diesem Geschäft kenne, mailen, um ihnen mitzuteilen, dass ich zur Verfügung stünde, doch jedes Mal, wenn mir jemand in den Sinn kommt, fällt mir wieder ein, dass es eine echte Herausforderung war, mit denen zusammenzuarbeiten. Eigentlich müsste ich meinen Lebenslauf an verschiedene Restaurants schicken, allerdings fürchte ich mich davor, in einer noch bekloppteren, stressigeren Küche zu landen. Ich brauche etwas anderes. Und ich habe noch keine Ahnung, was das sein sollte.“
Jillian lächelte sie nur an.
„Was ist?“, fragte Kelly.
„In ein paar Tagen trifft die neue Kücheneinrichtung ein. Als ich das Haus kaufte, hatte Paul
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