Hand in Hand in Virgin River
häng ab und zu mal bei ihr zu Hause ab, auf ihrer Farm. Ihre Familie ist ganz nett. Ihr Vater ist witzig. Alt und ziemlich fertig, aber komisch. Wenn ich zum Essen bleibe, bekomme ich gutes, fettiges Essen anstatt dieses beschissene gesunde Zeug, das mein Dad kocht.“
„Das überall dringend empfohlen wird“, erwiderte Jerry. „Ich fürchte, ich gehöre auch zu den Anhängern der Abteilung beschissenes gesundes Essen.“
„Ach nee? Und sie hat einen kleinen Neffen, der im Rollstuhl sitzt. Er ist der Sohn ihres älteren Bruders.“
„Oh?“
„Muskeldystrophie. Er ist acht. Er hat manchmal Zeiten, wo er sein Zustand nicht ganz so schlecht ist, doch er wird nie mehr gesund. Es wird sogar immer schlimmer werden, bis er stirbt. Es gibt nicht viele Menschen, die mit dieser Krankheit erwachsen werden, wenn sie schon als Kind an ihr leiden.“
„Hat dir das alles deine Freundin erklärt?“
„Nein“, antwortete sie und schüttelte den Kopf. „Ich habe im Internet nachgelesen. Denn nach allem, was sie mir erzählt hat, habe ich vermutet, dass es sich um DMD – Duchenne-Muskeldystrophie handelt. Sie meinte, es gäbe keine Heilung und es gehe ihm nicht besser und er säße bereits im Rollstuhl. Er ist wirklich irgendwie süß mit seiner Brille, die ihm ständig von der Nase rutscht – sieht aus wie der kleine Junge in Jerry Maguire. Und er ist schrecklich schlau – er ist acht und schon auf dem Niveau der siebten Klasse, was Schreiben und Mathe betrifft. Und er ist lustig. Seine Eltern lassen ihn Videospiele spielen, damit er seine Reflexe trainiert, aber sie können nichts für seine Rücken- und Beinmuskulatur tun.“
„Du magst ihn. Du magst die ganze Familie“, bemerkte Jerry.
Sie nickte. Aber dann sagte sie: „Man fragt sich, ob es einen Gott gibt, wenn man ein Kind mit so einer schlimmen Krankheit trifft.“
Jerry beugte sich nach vorne. „Courtney, mit dieser Frage gehörst du in den Club der genialen Köpfe. Ungerechtigkeit und Unfairness sind eine echte Bedrohung für das Gottvertrauen.“
„Wieso sprechen Sie mit mir wie mit einer Erwachsenen?“ Sie verzog das Gesicht.
Überrascht betrachtete er sie. „Habe ich etwas gesagt, das du nicht verstanden hast?“
„Nein“, erwiderte sie. „Ja, ich habe diese Familie gern. Ich mag die Tiere, auch wenn es gar nicht so viele sind. Mein Dad ist auf einer Kartoffelfarm groß geworden. Da sind wir früher regelmäßig hingefahren. Wir waren schon lange nicht mehr dort.“
„Welche Tiere?“, wollte Jerry wissen.
„Zum Beispiel eine Hündin – ein Golden-Retriver-Mix –, die bald wirft. Man kann schon fühlen, wie die Welpen sich in ihr bewegen. Ich wette, es werden neun. Ich meine, das ist eine echte Wette – ich habe sogar einen Dollar darauf gesetzt. Außerdem gibt es da Hühner, Ziegen, eine Kuh und zwei Pferde. Und Tausende von Katzen wie auf Dads Farm in Idaho. Sie halten die Mäuseplage in Schach.“
Jerry lächelte sie an. „Wenn dir das Leben auf einer Farm gefällt, wirst du dir hier in der Gegend ziemlich schnell Freunde machen. Hier gibt’s eine Menge Kinder, die auf Farmen leben.“
„Ja, schon. Ich habe bis jetzt genau eine Freundin.“
„Aber vertraust du ihr? Magst du sie? Ist sie in Ordnung?“, fragte Jerry.
„Sie ist gut. Ein bisschen langsam und ungelenk, aber sie wüsste gar nicht, wie böse sein geht.“
„Ich werde dir etwas sagen, das du im Moment vielleicht noch nicht begreifst, doch wenige dieser guten, vertrauenswürdigen und loyalen Freunde zu haben – ist tatsächlich eine ganze Menge. In der Junior High und der Highschool sammeln Kinder so viele Freunde, dass der Gedanke an nur wenige gute Freunde geradezu grotesk erscheinen mag. Aber tatsächlich ist ein guter Freund besser als ein Dutzend, bei denen du keine genaue Ahnung hast, woran du bist – das ist unbestritten.“
Courtney schwieg einen Augenblick. „Ich hatte viele Freunde, bevor meine Mom starb.“
Jerry besaß genügend Respekt, um ebenfalls einen kurzen Moment innezuhalten. „Es tut mir sehr leid, dass du deine Mutter verloren hast, Courtney. Der Tod eines geliebten Menschen kann oft alles im Leben verändern.“
„Überblendung. Ist das jetzt die Überleitung, damit wir über meine tote Mom sprechen können?“
Er schenkte ihr erneut ein Lächeln, aber diesmal war es ein tröstliches. „Überblendung. Ein Filmbegriff. Du musst diesen Begriff hier vermutlich erst erklären. Ich dachte, wir machen es heute kurz. Es ist unsere
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