Hand von Thrawn 01 - Schatten der Vergangenheit
geführt werden, wo sie sich mit einem schmeichlerischen Kubaz treffen sollten, der ein undurchsichtiges Kartell der Hutts vertrat. Griv trug einen kleinen Koffer voller Ryll, der Kubaz würde einen Koffer ähnlicher Größe dabei haben, der Feuerjuwelen von Sormahil enthielt, und in der Theorie sollte diese Begegnung mit einer einfachen wechselseitigen Übergabe enden.
In der Theorie.
Irgendwo in der Ferne rechts von ihr setzte ein Luftgleiter im weiten Bogen zur Landung an, und als die Landelichter kurz einen Streifen fahlen Lichts über das Mauerwerk vor ihr huschen ließen, spürte Shada, wie sie eine neue Welle aus Niedergeschlagenheit überkam. Sie war schon seit mehr als zwölf Jahren nicht mehr zu Hause auf Emberlene gewesen, nicht mehr, seit Mazzic sie als seine Leibwächterin angeheuert hatte, doch der Dreck und Verfall dieser Mauer brachten all die Erinnerungen zurück, als wäre es erst gestern gewesen. Erinnerungen daran, wie sie zwischen den Ruinen ehemals großer Städte aufgewachsen war; Erinnerungen an den Tod, der rings um sie so oft zugeschlagen hatte: Tod durch Krankheiten, durch Unterernährung, durch Gewalt, durch Hoffnungslosigkeit; Erinnerungen an unerträglichen Hunger, daran, ihr Leben dadurch zu verlängern, daß sie Ungeziefer fing und tötete, sowie an ihre schmale Ration der kargen Nahrungsmittel, die aus den noch verbliebenen Bezirken urbaren Landes zu ihnen gelangten.
Und an die Versorgung von außen, die schließlich anlief und die nicht etwa von mildtätigen Außenweltlern oder irgendeiner großzügigen Republik gespendet, sondern mit dem Blut, dem Schweiß und den Tränen der Mistryi-Schattenwächterinnen verdient worden war.
Sie waren die Elite der Überlebenden der Emberlene-Gesellschaft, die von den Elf Ältesten des Volkes selbst zu ihrem Kreuzzug aufgerufen worden waren. Seit ihrer frühsten Kindheit hatte sich Shada von ganzem Herzen gewünscht, eine von ihnen zu sein. Die Mistryi bereisten die Sternrouten: eine Schwesternschaft bestens ausgebildeter Kriegerinnen, die ihre Dienste und ihr Geschick im Kampf den Unterdrückten und Machtlosen der Galaxis feilboten und dafür im Gegenzug das Geld erhielten, das so dringend erforderlich war, um die letzten Bewohner ihrer geschändeten Welt am Leben zu erhalten.
Eine Welt, deren Bevölkerung nie jemand auch nur bemerkt, geschweige denn zum Gegenstand seiner Besorgnis gemacht hatte. Außer vielleicht die Caamasi.
Mühsam schluckte sie den aufwallenden Ärger über die Aufmerksamkeit hinunter, die Caamas während der vergangenen Wochen zuteil geworden war. Die Zerstörung von Emberlene lag zu weit zurück, um noch irgend jemanden zu berühren – sogar für sie selbst.
Damals, als ihre Welt überfallen worden war, hatte sich niemand in der Galaxis darum geschert; da konnte man nicht erwarten, daß sich jetzt jemand darum kümmerte. Ja, es war unfair, aber es hatte ja auch nie jemand behauptet, im Universum gehe es fair zu.
Links über ihr ließ sich ein leises fragendes Rülpsen vernehmen. Shada verharrte, blickte hinauf in die Dunkelheit und entdeckte in einiger Entfernung die Reflexion zweier eng zusammenstehender Augen, die aus tiefen Schatten auf sie herabschauten. »Schon gut«, hauchte sie in Richtung des Augenpaars und zog sich vorsichtig weiter nach oben, um sich die Sache aus der Nähe anzusehen. In diesem Teil von Borcorash mochte es sich lediglich um einen harmlosen Felssegler handeln, aber es konnte nicht schaden, vorsichtig zu sein.
Ihre Vorsicht erwies sich bald als unnötig. Es war tatsächlich ein Felssegler, der in seinem Nest hockte, das er in einer besonders tiefen Scharte in der Mauer gebaut hatte. Shadas Blick fiel kurz auf ein paar gesprenkelte Eier unter den Flügeln.
»Mach dir keine Sorgen; ich bin nicht hungrig«, beruhigte sie das Geschöpf. Vor langer Zeit, so erinnerte sie sich dunkel, war sie recht gut darin gewesen, Felssegler dieser Größe zu fangen. Sie hatten viel besser geschmeckt als die Raubinsekten aus der Stadt…
Sie schüttelte die Gedanken ab und verlagerte ihr Gewicht, um eine Hand zu befreien und einen Sicherheitsanker aus ihrem Klettergeschirr zu ziehen. Ihre Mistryl-Ausbilder hätten den Gebrauch einer Sicherheitsleine wahrscheinlich bemäkelt und darauf hingewiesen, daß es Zeit brauchte, die Anker zu befestigen, und daß eine wahre Mistryl im übrigen ohnehin niemals abrutschen würde. Doch ihr Klettertraining lag viele Jahre zurück, und alles Tempo der Galaxis würde ihr
Weitere Kostenlose Bücher