Handyman Jack 01 - Die Gruft
verspürte Jack einen heftigen instinktiven Hass auf diese Kreaturen. Es war eine Reaktion jenseits jeder Vernunft, so wie die angeborene Feindschaft, die ein Mungo einer Schlange entgegenbringt. Völlige Unvereinbarkeit. Irgendetwas in der äußersten, primitivsten Ecke seines Wesens erkannte diese Kreaturen und wusste, es konnte keine Koexistenz, keinen Waffenstillstand mit ihnen geben.
Aber diese unerklärliche Reaktion wurde durch die grausige Faszination dessen, was er sah verdrängt. Kusum hob den Arm und rief etwas. Vielleicht lag es am Licht, aber er wirkte älter auf Jack. Die Kreaturen antworteten, indem sie den Singsang wieder aufnahmen, den Jack vorhin gedämpft wahrgenommen hatte. Aber jetzt konnte er die Geräusche auseinanderhalten. Raue, knurrende Stimmen, zuerst dissonant, dann mit stetig wachsender Einheit, wiederholten das gleiche Wort, wieder und wieder:
»Kaka-jiiiii! Kaka-jiiiii! Kaka-jiiiiiiiii! Kaka-jiiiiiii!«
Dann reckten sie ihre klauenbewehrten Hände in die Luft und jede von ihnen hielt ein blutiges Stück Fleisch, das im flackernden Licht rötlich glänzte.
Jack wusste nicht, wieso, aber er war sich sicher, er sah hier das, was noch von Nellie Paton übrig war.
Das war mehr, als er ertragen konnte. Sein Verstand weigerte sich, mehr zu akzeptieren. Panik war ein Gefühl, das Jack nicht kannte, etwas Ungewohntes, kaum Erklärbares. Er wusste nur, er musste hier heraus, bevor er völlig den Verstand verlor. Er drehte sich um und rannte durch den Korridor zurück. Er kümmerte sich gar nicht darum, wie viel Lärm er machte, auch wenn bei dem Spektakel im Laderaum sowieso nicht viel zu hören wäre. Er warf das Schott hinter sich zu, drehte an dem Rad, bis die Bolzen einrasteten, rannte dann die Stufen zum Deck hoch, sprintete über das mondbeschienene Deck zum Heck, wo er sich auf die Reling schwang, das Tau ergriff und zum Pier rutschte. Er achtete nicht darauf, dass er sich dabei die ganze Haut von den Händen scheuerte.
Er griff sich den Feldstecher und die Kamera und floh der Straße entgegen. Sein Ziel war klar: Er wollte zu der einzigen Person außer Kusum. die ihm erklären konnte, was er da gerade gesehen hatte.
4
Kolabati erreichte die Gegensprechanlage nach dem zweiten Klingeln. Zuerst dachte sie an Kusum, aber der brauchte ja die Gegensprechanlage nicht, die mit dem Empfangstisch in der Eingangshalle verbunden war. Sie hatte von ihrem Bruder nichts mehr gesehen oder gehört, seit er sie gestern an der Rockefeller Plaza abgeschüttelt hatte, und sie hatte sich aus der Wohnung auch nicht weggerührt, weil sie ihn treffen wollte, wenn er kam, um sich umzuziehen. Aber bisher war er nicht aufgetaucht.
»Mrs. Bahkti?« Die Stimme des Pförtners.
»Ja?« Sie machte sich nicht die Mühe, ihn wegen des »Mrs.« zu korrigieren.
»Entschuldigen Sie die Störung, aber hier ist ein Kerl, der sagt, er müsse Sie sehen.« Er senkte die Stimme, damit der Besucher nicht mithören konnte. »Er sieht nicht ganz astrein aus, aber er lässt sich nicht abwimmeln.«
»Wie heißt er?«
»Jack. Das ist alles, was er mir sagen will.«
Ein warmer Schauer durchrieselte sie bei der Erwähnung des Namens. Aber wäre es klug, ihn in das Apartment zu lassen? Wenn Kusum zurückkehrte und sie beide zusammen in seiner Wohnung fand …
Aber sie spürte, dass Jack nicht unangemeldet auftauchen würde, wenn es nicht wirklich wichtig wäre.
»Schicken Sie ihn hoch.«
Sie wartete ungeduldig, bis sie hörte, wie sich die Fahrstuhltür öffnete, dann ging sie zur Tür. Als sie Jacks kurze Hose, seine Kniestrümpfe und die Sandalen sah, brach sie in Lachen aus. Kein Wunder, dass der Pförtner ihn nicht ins Haus lassen wollte!
Dann sah sie sein Gesicht.
»Jack! Was ist passiert?«
Er trat durch die Tür, dann schloss er sie hinter sich. Unter der roten Schicht seines Sonnenbrands war sein Gesicht blass. Seine Lippen waren zusammengepresst und in seinen Augen flackerte es.
»Ich bin heute Kusum gefolgt…«
Er hielt inne, als warte er auf eine Reaktion von ihr. Seine Miene verriet ihr, dass er das, was sie die ganze Zeit vermutete, gefunden hatte, aber sie musste es von ihm selbst hören. Sie verbarg ihre Furcht vor dem, was Jack ihr zu sagen hatte, hinter einer ausdruckslosen Maske.
»Und?«
»Du weißt es wirklich nicht, oder?«
»Was weiß ich nicht, Jack?« Sie sah zu, wie er sich mit der Hand über die Haare fuhr, und bemerkte, dass seine Handflächen schmutzig waren und bluteten. »Was
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