Handyman Jack 01 - Die Gruft
Frauenkleidern gefüllt; eines der Kleider erkannte er als das, das Kolabati in der Pfauenbar getragen hatte; ein anderes hatte sie auf dem Empfang in der Botschaft getragen. Sie wäre nicht ohne ihre Kleider zurück nach Washington gefahren.
Sie war also noch in New York.
Er ging zum Fenster und sah auf den Park hinaus. Die orangefarbene Sonne war immer noch hell genug, um ihn zu blenden. Er stand lange Zeit da und starrte gen Westen. Er hatte gehofft, Kolabati hier zu finden. Es war gegen jede Logik gewesen, aber er musste sich selbst davon überzeugen, um diese Wohnung von der kurzen Liste der möglichen Aufenthaltsorte zu streichen.
Er drehte sich um, nahm das Telefon und wählte die Nummer der indischen Botschaft. Nein, Mr Bahkti war noch bei den Vereinten Nationen, aber er werde in Kürze zurück sein.
Das war es dann. Keine weiteren Ausflüchte. Er musste zu dem einzigen anderen Ort, wo Kolabati jetzt noch sein konnte.
Die Furcht legte sich ihm wie ein Bleigewicht auf den Magen.
Das Schiff. Dieser gottverdammte Höllenkahn. Er musste dorthin zurück.
8
»Ich habe Durst, Mommy.«
»Das kommt von dem chinesischen Essen. Davon bekommt man immer Durst. Trink noch etwas Wasser.«
»Ich will kein Wasser. Ich mag kein Wasser mehr. Kann ich nicht einen Saft haben?«
»Es tut mir leid, Liebling, aber ich bin nicht zum Einkaufen gekommen. Hier gibt es außer Wasser nur Wein, und den kannst du nicht trinken. Ich besorge dir morgen früh Saft, ich verspreche es.«
»Ja, okay.«
Vicky sackte in ihrem Stuhl zusammen und verschränkte die Arme über der Brust. Sie wollte Saft statt Wasser und etwas anderes sehen als diese blöden Nachrichtensendungen. Zuerst die Sechs-Uhr-Nachrichten, dann die Nachrichten des Tages, und Mr, Grossman – er war nicht ihr Onkel, warum sollte sie dann Onkel Abe zu ihm sagen? – redete und redete und redete. Sie hätte viel lieber Drei Jungen und drei Mädchen geguckt. Sie hatte die Folgen alle mindestens zweimal gesehen, manche auch drei- oder viermal. Sie mochte die Serie. Da passierte nie etwas Böses. Nicht wie in den Nachrichten.
Ihre Zunge war trocken. Wenn sie jetzt doch einen Saft hätte …
Da fiel ihr die Orange ein – die, die sie heute Morgen im Spielhaus gefunden und sich aufgespart hatte. Die würde jetzt so wunderbar schmecken.
Ohne ein Wort rutschte sie von ihrem Stuhl und schlich sich in das Schlafzimmer, dass sie sich heute Nacht mit Mommy teilen würde. Der Mrs-Jelliroll-Puppenkoffer stand auf dem Boden des Kleiderschranks. Sie kniete davor nieder und holte die Orange heraus. Sie war so kühl in ihrer Hand. Schon bei dem Geruch lief ihr das Wasser im Mund zusammen. Sie würde so wunderbar schmecken.
Sie ging zu dem mit einem Fliegengitter abgedeckten Fenster und pulte mit dem Finger an der dicken Schale, bis sie auf das Fruchtfleisch stieß. Dann begann sie die Orange zu pellen. Der Saft quoll ihr über die Finger, als sie ein Stück abriss und hineinbiss. Der Saft, süß und gleichzeitig sauer, floss auf ihre Zunge. Lecker! Sie schob sich den Rest der Scheibe in den Mund und riss gerade eine weitere ab, als ihr etwas Merkwürdiges an dem Geschmack auffiel. Es schmeckte nicht schlecht, aber es schmeckte auch nicht gut. Sie biss von dem zweiten Stückchen ab. Der gleiche Geschmack.
Plötzlich hatte sie Angst. Was, wenn die Orange schlecht war? Vielleicht hatte Jack sie ihr deswegen heute Morgen weggenommen. Was, wenn sie davon krank wurde?
In Panik bückte sich Vicky und schob den Rest der Orange unter das Bett. Sie würde sie später in die Mülltonne schmuggeln, wenn sich dazu eine Gelegenheit bot. Dann schlenderte sie so beiläufig wie nur möglich aus dem Zimmer und rannte ins Badezimmer, wo sie sich den Saft von den Händen wusch und einen ganzen Pappbecher voll Wasser trank.
Hoffentlich bekam sie keine Bauschmerzen. Mommy würde furchtbar wütend sein, wenn sie herausfand, dass sie die Orange versteckt hatte. Aber vor allem hoffte Vicky, dass sie sich nicht übergeben musste. Das war das Schlimmste, was einem überhaupt passieren konnte.
Vicky ging ins Wohnzimmer zurück und drehte ihr Gesicht weg, damit niemand es sehen konnte. Sie fühlte sich schuldig. Ein Blick und Mommy würde wissen, dass etwas nicht stimmte. Die Frau in der Wettervorhersage erzählte, dass es morgen wieder heiß und sonnig sein würde, und Mr. Grossman redete von einer Dürre und von Menschen, die um Wasser kämpften. Sie setzte sich und hoffte, dass sie danach dann
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