Handyman Jack 01 - Die Gruft
dass es ihr so richtig dreckig ging … Schließlich tat ihm auch alles weh.
Ich hätte nie nach New York kommen sollen. Aber er musste ganz schnell aus Detroit verschwinden, nachdem er sich hatte hinreißen lassen und mit der Brechstange auf den Kerl losgegangen war, der gerade seinen Reifen wechselte. Hier konnte man leichter untertauchen als in irgendeinem kleinen Kuhkaff, aber er kannte hier niemanden.
Er lehnte sich zurück und beobachtete die Straße mit seinem gesunden Auge. So ‘ne seltsame alte Dame humpelte in Schuhen, die für sie zu klein schienen, an ihm vorbei und zog einen Einkaufskorb hinter sich her. Nicht viel zu holen. Er hakte sie ab. Da lohnte nicht mal ein zweites Hinsehen.
19
Was soll das Ganze eigentlich?, fragte sich Jack. Er war jetzt seit Stunden jede Seitenstraße in der Gegend hoch und runter geschlurft. Sein Rücken schmerzte vom gebückten Gehen. Wenn der Dieb in der Gegend geblieben war, dann hätte Jack ihm mittlerweile begegnen müssen.
Verdammt sei die Hitze und verdammt sei dieses Kleid und am verdammtesten sei diese verdammte Perücke. Ich kriege den Kerl nie.
Aber nicht nur die Sinnlosigkeit dieser Suche zerrte an seinen Nerven. Der Nachmittag hatte ihm schwer zugesetzt.
Jack sah sich selbst stolz als Mann mit nur wenigen Illusionen. Er glaubte an eine ausgleichende Gerechtigkeit im Leben und das begründete er mit Jacks Gesetz der Sozialdynamik: Für jede Handlung muss es eine entsprechende Gegenreaktion geben. Diese Gegenreaktion war nicht unbedingt zwangsläufig oder unvermeidlich, das Leben war nicht berechenbar wie die Physik. Manchmal musste man dieser Gegenreaktion nachhelfen. Dann kam Handyman Jack ins Spiel. Es war sein Job, solche Gegenreaktionen anzustoßen. Er betrachtete sich als einen Katalysator für ausgleichende Gerechtigkeit.
Er wusste, er war gewalttätig. Er suchte auch gar keine Entschuldigungen dafür. Er hatte sich damit abgefunden. Er hatte gehofft, dass auch Gia das schließlich tun würde.
Als Gia ihn verlassen hatte, hatte er sich eingeredet, es sei alles nur ein großes Missverständnis. Alles, was er brauchte, war eine Gelegenheit, mit ihr zu reden, und alles würde sich klären. Es war nur ihr italienischer Dickschädel, der zwischen ihnen stand. Nun, er hatte heute Nachmittag diese Gelegenheit gehabt, und es war offensichtlich, dass es zwischen ihm und Gia keine gemeinsame Grundlage gab. Sie wollte mit ihm nichts mehr zu tun haben.
Sie hatte Angst vor ihm.
Das zu akzeptieren fiel ihm am schwersten.
Er hatte sie in die Flucht getrieben. Nicht weil er ihr etwas angetan oder sie betrogen hatte, nur dadurch, dass er ihr die Wahrheit gesagt hatte … weil sie jetzt wusste, was Handyman Jack in Ordnung brachte, wie er seine Arbeit machte und was für Werkzeug er benutzte.
Von ihnen beiden musste einer falsch liegen. Bis zu diesem Nachmittag hatte er sich leicht einreden können, das sei Gia. Jetzt war es nicht mehr so einfach. Er glaubte an Gia, vertraute auf ihr Feingefühl und ihr Urteilsvermögen. Und sie fand ihn abstoßend.
Ein Gefühl der Betäubung kroch in ihm hoch.
Was, wenn sie recht hat? Was, wenn ich nicht mehr als ein gut bezahlter Gangster bin, der sich seine Beweggründe so zurechtgebogen hat, dass er in seinen Augen als einer der Guten dasteht?
Jack schüttelte sich. Selbstzweifel kannte er sonst nicht. Er war nicht sicher, wie er damit umgehen sollte. Aber er musste damit fertig werden. Er würde seinen Lebenswandel nicht ändern, wahrscheinlich könnte er das auch gar nicht, selbst wenn er es wollte. Er hatte so lange außerhalb der Gesellschaft gelebt, dass er gar nicht wusste, wie man sich wieder eingliedern könnte …
Irgendetwas war mit dem Kerl in dem Hauseingang, an dem er gerade vorbeigekommen war… Irgendetwas an diesem Gesicht im Dunkeln hatte sein Unterbewusstsein im Vorbeigehen registriert, aber noch nicht an sein Vorderhirn weitergeleitet. Irgendetwas …
Jack ließ den Griff seines Trolleys los. Er fiel scheppernd auf den Bürgersteig. Als er sich bückte, um ihn aufzuheben, warf er einen Blick zurück in den Eingang.
Der Kerl war jung und hatte kurzes blondes Haar – und einen weißen Verband über dem linken Auge. Jack spürte, wie sein Herzschlag sich beschleunigte. Das war fast zu schön, um wahr zu sein. Aber da war er und verkroch sich in den Schatten. Ihm war sicherlich klar, dass sein Verband ihn verraten würde. Er musste es sein. Wenn nicht, war das ein unglaublicher Zufall. Jack
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