Handyman Jack 05 - Todesfrequenz
entsprechend zu verhalten. Sie war die Lügen so leid, aber sie musste dieses Doppelleben noch zwei weitere Jahre führen. Bis Liz achtzehn war und aufs College ging. Dann würde sie sich bekennen, ihr Coming-out inszenieren. Mit einem Paukenschlag.
Doch bis dahin…
Kate sehnte sich danach, wieder bei ihren Kindern zu sein, aber sie wusste, dass sie Jeanette in diesem Zustand nicht alleine lassen konnte. Sie musste irgendeine Lösung für diese Situation finden, ehe sie an diesem Wochenende nach Trenton zurückkehrte.
Die nächsten beiden Telefongespräche hatte sie mit völlig fremden Personen geführt. Sie hatte nicht die Absicht, Jack in ihre Probleme mit hineinzuziehen, aber sie hatte der Versuchung doch nicht widerstehen können, wie durch ein Fenster einen Blick auf das Leben ihres Bruders zu werfen und vielleicht auf diese Weise etwas über das Geheimnis zu erfahren, das ihn offensichtlich umgab.
Der erste Gesprächspartner war eine Berufskollegin, ebenfalls Kinderärztin und spezialisiert auf Infektionskrankheiten. Sie arbeitete nicht weit von Jeanettes Wohnung in einer Klinik für an AIDS erkrankte Kinder. Der zweite Gesprächspartner war eine Endokrinologin namens Nadia Radzminsky.
Kate hatte nicht verraten, dass Jack ihr Bruder war, sondern hatte nur erklärt, ihr wären die Namen als Referenzen genannt worden. Beide Frauen hatten ihn überschwänglich gelobt, waren jedoch ausgesprochen wortkarg geworden, als Kate Einzelheiten über Jacks Aktivitäten wissen wollte. Alicia Clayton, die Kinderärztin, hatte gemeint, Jack wäre zwar nicht billig, aber jeden Penny wert. Beide hatten jedoch keinen Zweifel daran gelassen, dass sie Jack alles bedingungslos anvertrauen könnte. Sogar ihr Leben.
Was sie da über ihren kleinen Bruder hörte, klang ein wenig Furcht einflößend. Man kannte ihn als Handyman Jack… und für einen bestimmten Preis regelte er Dinge… löste Probleme. Irgendwie bizarr.
Nicht dass meine Situation und die Lebensumstände völlig alltäglich sind, dachte sie, während sie den offenbar abheilenden Einstich in ihrer Handfläche massierte.
Es war kein Traum gewesen. Jemand hatte ihr in der vergangenen Nacht in die Hand gestochen. Eine Spinne oder ein anderes Insekt konnte es eigentlich nicht gewesen sein, denn sie beobachtete keinerlei Gewebereaktion. Es sah aus, als hätte eine ordinäre Nadel die Haut durchstoßen.
Der Gedanke ließ sie frösteln. Angesichts von HIV und Hepatitis C und wer weiß welchen anderen bisher unbekannten Krankheiten, die sich unkontrolliert verbreiten konnten, war eine Stichwunde, so klein sie auch sein mochte, nichts, was man so einfach als harmlos abtun konnte. Sie konnte sich zwar nicht vorstellen, dass Jeanette irgendetwas tun würde, um ihr zu schaden, andererseits aber hatte sie sich auch nie vorstellen können, dass Jeanette sich so verhielt, wie sie es in den letzten Tagen hatte beobachten müssen.
Kate blickte bei dem Geräusch der sich öffnenden Arbeitszimmertür auf und sah, wie Jeanette mit einer Tasse in der Hand das Wohnzimmer durchquerte.
Sie hatte sich den ganzen Vormittag über nicht blicken lassen. Bekleidet mit großzügig geschnittenem T-Shirt und Jeans, die Füße in ihren abgenutzten Birkenstock-Sandalen, sah sie wunderbar aus. Wenn sie nur noch lächeln würde…
»Noch etwas Kaffee?«, fragte Kate mit einem hoffnungsvollen Lächeln.
»Ich will den hier nur noch einmal anwärmen«, erwiderte Jeanette mit nüchternem Tonfall und Gesichtsausdruck.
Wenigstens scheint sie nicht verärgert zu sein wie gestern Abend, dachte Kate. Ich denke, dafür sollte ich dankbar sein.
»Was treibst du da drin? Arbeitest du?«
Jeanette schaute sie nicht an, während sie die Tasse in den Mikrowellenherd stellte und die Einschalttaste betätigte. »Was ist los – konntest du durchs Schlüsselloch nicht genug erkennen?«
Das tat weh. »Verdammt, Jeanette, das ist nicht fair! Ich schnüffle dir nicht nach!«
Jeanette wandte sich mit einem spöttischen Grinsen zu ihr um, doch dann veränderte sich ihr Gesichtsausdruck schlagartig. Aus spöttischer Überheblichkeit wurde nackter Terror.
»Kate, o bitte, Kate, hilf mir!«, schrie sie auf, taumelte gegen die Essbar und klammerte sich verzweifelt daran fest.
Kate war von ihrem Platz aufgesprungen und umrundete die Essbar. »Mein Gott, Jeanette, was ist los?«
»Irgendetwas geschieht mit mir, Kate! Ich glaube, ich verliere den Verstand!«
Sie ergriff Kates Unterarme, grub ihre zitternden Finger
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