Handyman Jack 07 - Todessumpf
dass nicht alle von ihnen diesen Ort unversehrt verlassen würden. Aber er konnte jetzt keinen Rückzieher mehr machen, und er wusste genau, dass sich weder sein Dad noch Carl von hier wegrühren würden. Sie steckten bereits zu tief in der Sache drin. Und Anya brauchte sie alle.
Ein letzter Klaps auf die Schulter seines Vaters, und dann begab er sich eilends zu den Überresten der Indianerhütten. Er fand einen halbwegs sicheren Platz hinter einem dicken Stützpfeiler. Gleichzeitig geschah etwas, das er nicht für möglich gehalten hätte: Der Regen wurde deutlich heftiger.
Jack kauerte sich hin und breitete den Poncho wie einen Schirm über den Plastiksack. Er holte ein paar Handgranaten heraus und befestigte ihre Sicherungsringe an seinem Gürtel. Dann nahm er seinen großen Ruger aus dem Sack und überprüfte die Trommel. Da er kein Holster bei sich hatte, um ihn unterzubringen, schob er ihn in seinen Hosenbund. Der gut zwanzig Zentimeter lange Lauf war kalt und hatte keine sonderlich angenehmen Trageigenschaften. Falls ihm Semelee im Zuge dieser Mission begegnen sollte, würde sie wahrscheinlich annehmen, dass er sich geradezu unbändig freute, sie wiederzusehen.
Aber das wäre ein glatter Irrtum. Jack wäre es nur recht, wenn sie ganz und gar aus seinem Leben verschwände.
Er erhob sich und legte die Hände zu einem Schalltrichter um den Mund, als er hinter sich eine Bewegung zu spüren glaubte. Er wirbelte herum, klopfte seinen Poncho ab und versuchte eine Hand unter seinen flatternden Saum zu schieben, hielt jedoch inne, als er erkannte, was er als gefährliche Bewegung wahrgenommen hatte: Es war ein kleines Handtuch, das an einem der Stützpfosten hing und vom Wind hin und her gepeitscht wurde.
Jack wartete kurz, bis sich sein rasender Herzschlag ein wenig beruhigt hatte – für einen winzigen Moment hatte er tatsächlich angenommen, er sei in einen Hinterhalt getappt –, dann richtete er seine Aufmerksamkeit wieder auf das Wasser.
Seine Hände ein weiteres Mal zu einem Schalltrichter vor dem Mund zusammenlegend, rief er:
»Hallo bei den Booten!«
Er wiederholte den Ruf dreimal, jedes Mal mit größtmöglicher Lautstärke, ehe er entschied, dass sie ihn bei dem Sturm einfach nicht hören konnten. Er zog den Ruger und zielte damit zum Himmel. Er hatte ein solches Ungetüm noch nie abgefeuert und kannte die .454 Casull-Patronen nur vom Hörensagen. Er wusste, dass die Waffe ein wahres Monster war, daher war er auf einen lauten Knall und einen mächtigen Rückschlag gefasst, als er zweimal in die Luft feuerte. Trotzdem überraschte ihn die Lautstärke der Munition.
Das sollte sie eigentlich aufwecken.
Er ersetzte die abgefeuerten Patronen und wiederholte seinen Ruf.
5
»Du errätst niemals, wer da draußen ist«, sagte Luke grinsend. Er war triefnass, als er vom Bootsdeck hereinkam. Er trug einen gelben Regenmantel und eine Devil-Rays-Mütze. Corley und zwei von den anderen Männern drängten sich hinter ihm herein und schüttelten das Wasser ab wie Hunde.
Semelee hatte keine Lust zu Ratespielen, vor allem, da sie die Antwort niemals erraten würde. Daher wartete sie darauf, dass er sie aufklärte.
Jeder auf der Bull-ship war beim Klang der beiden Schüsse eben zusammengezuckt. Es hatte geklungen, als wäre in nächster Nähe eine Kanone abgefeuert worden. Luke und die anderen waren sofort hinausgegangen, um nachzusehen, was los war. Semelee hatte laute Rufe gehört, konnte sich aber wegen des lauten Trommelns der Regenmassen auf dem Dach und dem Rumpf des Bootes keinen Reim darauf machen.
Schließlich präsentierte ihr Luke die sensationelle Neuigkeit: »Es ist dein Freund!«
Freund? Semelee überlegte. Was will Luke …? Oh, Scheiße.
»Meinst du diesen Jack? Er ist nicht mein Freund. Ich hasse ihn.«
Das tat sie wirklich. Auf irgendeine Weise. Aber das hielt ihr Herz nicht davon ab, für einen flüchtigen Moment bei dem Gedanken schneller zu schlagen, dass er nur wegen ihr den weiten Weg hier heraus zurückgelegt hatte. Aber dieser Gedanke verflüchtigte sich schon, kaum dass er in ihrem Bewusstsein erkennbare Gestalt angenommen hatte. Er hatte ihr sehr schmerzhaft klar gemacht, dass er an ihr und an ihresgleichen nicht im Mindesten interessiert war.
»Gut«, sagte Luke. »Denn ich hasse ihn ebenfalls. Ich hasse jeden, der mich für dämlich hält, und er muss mich für verdammt dämlich halten. Weißt du, was er gesagt hat? Er sei vom Miami-Dade Sheriff’s Office und hätte
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