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Handyman Jack 07 - Todessumpf

Handyman Jack 07 - Todessumpf

Titel: Handyman Jack 07 - Todessumpf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Paul Wilson
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riechen?
    Die alte Frau hatte genickt und ihren Mund in einem zahnlosen Lächeln halb geöffnet. »Warte hier, mein Kind«, hatte sie geflüstert. »Ich habe etwas für dich.«
    Und dann war sie weggegangen. Semelee hatte gehofft, sie würde nicht zurückkommen, aber vergebens. Und als sie dann wieder erschien, hatte sie zwei schwarze Süßwassermuscheln in der Hand. Sie waren durchbohrt und auf eine Lederschnur aufgefädelt.
    Die Frau ergriff Semelees Hand, bog ihre zu Fäusten geballten Finger auf und drückte ihr die Muschelhälften auf die Handfläche. »Du hast das zweite Gesicht, mein Kind. Aber ohne dies hier nützt es wenig. Nimm die Muscheln und trag sie immer bei dir. Wo du gehst und stehst. Du wirst sie brauchen, wenn du bereit bist, und das wird schon bald sein.«
    Dann war sie weggegangen.
    Semelees erster Impuls war es gewesen, die Muschelhälften wegzuwerfen. Doch dann überlegte sie es sich anders. Niemand war jemals auf die Idee gekommen, ihr etwas zu schenken, daher behielt sie die Muschelhälften. Sie hatte keine Ahnung, was die alte Frau mit ihrer Feststellung »Du hast das zweite Gesicht« und so weiter gemeint hatte, aber es vermittelte ihr das Gefühl, etwas Besonderes zu sein. Bis zu diesem Zeitpunkt in ihrem Leben hatte es keine Situation gegeben, die das Gefühl in ihr erweckt hatte, sich grundlegend von ihren Mitmenschen zu unterscheiden, ihnen vielleicht sogar überlegen zu sein. Was dieses »zweite Gesicht« betraf … eines Tages würde sie vielleicht erfahren, was es damit auf sich hatte.
    Und eines Tages fand sie es auch tatsächlich heraus. Und das hatte ihr Leben verändert.
    »Jetzt beruhige dich, Semelee«, sagte Luke. »Irgendwo muss sie doch sein. Wahrscheinlich ist sie dir aus der Tasche gefallen, als du im Wagen gesessen hast. Wir werden sie finden.«
    »Wir müssen sie finden!«
    Sie brauchte diese Augenmuscheln, um ihren Zauber auszuführen. Sie hatte sie immer an der Schnur um den Hals getragen, damit sie niemals von ihnen getrennt wurde. Aber jetzt …
    Diese Augenmuscheln hatten ihr das Leben gerettet … oder eher, sie davon abgehalten, sich selbst das Leben zu nehmen.
    Es war an einem Tag gewesen, einem Dienstag im Mai in ihrem sechzehnten Lebensjahr, als alles schief gegangen war, was hatte schief gehen können. Sie hatte am Tag zuvor eine neue Haartönung ausprobiert. Jede andere, mit der sie es vorher versucht hatte – und sie hatte kein Fabrikat ausgelassen –, war nutzlos gewesen. Die Farbe perlte wirkungslos über ihre Haare wie Wasser auf Wachs. Diese Tönung nahm für sich in Anspruch, anders zu sein, und versprach, ihr Haar kastanienbraun zu färben. Und es sah so aus, als würde es tatsächlich gelingen. Sie lief nicht wie die anderen wirkungslos aus ihren Haaren heraus.
    Aber als Semelee an diesem Morgen in den Badezimmerspiegel blickte, sah sie, dass ihr Haar – anstatt kastanienbraun zu sein – feuerwehrrot leuchtete. Und was noch schlimmer war, die Farbe ließ sich nicht mehr herauswaschen.
    Die Farbe wäre für all die Junkies und Freaks, die damit auffallen oder zeigen wollten, dass sie gegen ihre Eltern oder die Gesellschaft oder was auch immer rebellierten, wahrscheinlich okay gewesen. Für Semelee jedoch war sie einfach entsetzlich. Ihr ganzes bisheriges Leben lang war sie abgelehnt und verstoßen worden. Sie wollte endlich dazugehören.
    Nachdem sie einige Minuten lang bitterlich geweint hatte – am liebsten hätte sie laut geschrieen, aber Mami und ihr neuer Freund Fred befanden sich gerade im Schlafzimmer am anderen Ende des Wohnwagens –, überlegte sie, was sie tun sollte. Am liebsten hätte sie sich krank gemeldet und den Tag damit verbracht, ihre Haare zu waschen. Aber dann wäre sie mit Freddy allein im Wohnwagen gewesen, und die Art und Weise, wie er sie betrachtete, wenn er sich nicht beobachtet fühlte, verursachte ihr eine Gänsehaut. Nicht dass sie noch Jungfrau oder prüde war – sie hatte schon häufiger Sex gehabt –, aber Freddy … igitt.
    Daher föhnte sie die leuchtend roten Haare, stopfte sie unter eine Mütze und ging zur Schule. Das war kein besonders schöner Tagesanfang, aber es wurde noch viel schlimmer, als Suzie Lefferts sie entdeckte. Sie hatte seit der Grundschule einen Kieker auf Semelee und ließ sich keine Gelegenheit entgehen, sie zu quälen. Nur so zum Spaß riss sie Semelee die Mütze vom Kopf, doch als sie die roten Haare bemerkte, stimmte sie ein lautes Geschrei an und rief die anderen Mädchen zu sich

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