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Hanibal

Hanibal

Titel: Hanibal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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dann greifen wir an.«
    Danach wurde der Bericht ein wenig wirr. Die fünffach überlegene, zwischen den steilen Ufern der Bucht eingeklemmte und kaum noch bewegliche Flotte von Pergamon sah sich ein paar Seglern und morschen Kriegsruderern gegenüber, die den Wind im Rücken hatten. Durch das vorgetäuschte Verhandlungsangebot hatte Hannibal erfahren, auf welchem Schiff der Befehlshaber der gegnerischen Flotte war. Der kräftige Landwind trieb die Segelschiffe schnell auf die pergamenische Flotte zu; drei oder vier der Boote steuerten das Befehlsschiff des Nauarchen an.
    Plötzlich flogen Tonkrüge auf die Schiffe, die die Flügel der pergamenischen Flotte bildeten. Hannibal hatte kleine Katapulte bauen und oben auf den steilen Ufern der Bucht aufstellen lassen. Von dort wurden einige tausend Krüge abgeschossen, die fast alle auf Schiffe fielen und platzten. Sie enthielten Öl. Das Gelächter der mit Ölkrügen beschossenen Krieger endete abrupt, als die Bogenschützen vom Ufer her Brandpfeile losjagten, die die ölgetränkten Kriegsschiffe sofort in Flammen setzten.
    Öldurchtränkt waren ebenfalls die kleinen Segler, die auf das Zentrum der Flotte mit dem Schiff des Nauarchen zuhielten. Plötzlich flammten sie auf; die Besatzungen sprangen über Bord, und der Landwind trieb die brennenden Schiffe ins Herz der pergamenischen Flotte.
    Der junge Mann riß die Augen auf und wurde blaß um die Nase, als er zum letzten Teil der Seeschlacht kam. »Inzwischen sind die paar Ruderschiffe auch bei uns. Die schmeißen noch mehr Krüge rüber, und die kommen runter und platzen. Tausende Giftschlangen, Skorpione und Taranteln! Da ist nichts mehr mit Kämpfen; alles kreischt und springt durcheinander. Und in dem Moment gehen die Schiffe von Hannibal bei uns längsseits, und seine Fußsoldaten stürmen. Die hatten ganz verrückte Sachen an – kein Chiton, keine Sandalen, sondern so ne Art lange Lederröhren um die Beine und Ledertaschen an den Füßen. Machen sich keine Gedanken um Schlangen und Skorpione, sondern hauen uns einfach zusammen. – Ich schätze, Hannibal hat an die dreißig gute Schiffe erbeutet; der Rest ist verbrannt oder versenkt. Dafür hat er höchstens sechs oder sieben seiner wurmstichigen Kähne geopfert. Die Flotte von Pergamon gibt es nicht mehr.«
    Am Abend liefen wir einen kleinen Inselhafen an; dort erfuhren wir, daß Hannibal nach der Seeschlacht gleich an Land gegangen war, um ein paar südliche Grenzfestungen Bithyniens aufzusuchen und Kämpfer zu werben oder auszuheben.
     
    * * *
    Es ist gut, in den Abend zu schreiben und dabei über Rollen und Tintenschalen aufs Meer zu blicken. Bald wird die Nacht mich bergen, wie das Meer den Taucher, aber aus ihr gibt es keine Rückkehr zum Strand. Vielleicht gelingt es mir, eine Papyrosbrücke durch dieses Dunkel zu schlagen, damit an einem fremden fernen Morgen jemand wissen kann, daß es einen Vortag gab.
    Zwei Frachtsegler, von Osten her, steuern den Großen Hafen an; sie werden ihn vor Einbruch der Nacht erreichen. Zwischen den glitzernden Dächern des Palasts und der Spitze des Leuchtturms von Pharos gleitet die Sonne in den Untergang. Vor mir, keine dreißig Schritte entfernt, kreischen Möwen, zetern und zerren an einem Fischkadaver. Auch ich werde nicht mehr die hohe See erreichen – das Große Grüne, wie die Ägypter sagen –, aber anders als du, schuppiger Freund, kann ich mich noch gegen Zerren und Zetern wehren.
    Korinnas Stimme ist sanft; wie ihre Haut und ihre Lippen. Sie ist zweiundzwanzig Jahre alt und wärmt meine Nächte – soweit ein Greis in seinem achtundachtzigsten Jahr dessen bedarf. Bei meinem Tod wird sie frei sein; sie zeigt keine unziemliche Ungeduld und bestiehlt mich nur so viel, wie es ihrem kretischen Gemüt unabdingbar erscheint. Ich weiß, Papyros kostet zwei Drachmen; sie brachte mir heute die neuen Rollen zum Preis von zwei Drachmen und zwei Obolen; nun ja, der Zwischenhandel…
    Der milde Nordost ist voller Salz und Weite. Sicher liegen im Hafen auch Schiffe, die nach Westen fahren werden – so weit die Römer es zulassen. Mit diesem Wind zu den Säulen des Herakles und darüber hinaus; noch einmal in das große Rollen und Stampfen und Heben und Gischten segeln – Korinna soll den syrischen Wein abtragen und mir Wasser bringen; nicht kanalisiertes Nilwasser aus der Zisterne im Keller, frisches Wasser aus dem tiefen Brunnen am Platz. Mit Wein und diesem Wind würde es ein Grübeln, und die auf vielen Rollen

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