Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hanibal

Hanibal

Titel: Hanibal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
Vom Netzwerk:
andere Geschäftsbereiche: Beteiligung an einer kleinen Werft, Mitbesitz an einem halben Dutzend Booten für den Hochsee-Thunfischfang, Finanzierung und Versicherung von Handelsschiffen und ihren Ladungen. Einer seiner Partner war ein junger Punier aus einer der ältesten Familien der Stadt, Hannibal. Diese Partnerschaft entwickelte sich zu einer guten Freundschaft, die sich auch auf die folgenden Geschlechter übertrug, trotz aller Unterschiede auch des Alters. Als mein Vater, Aristeides, geboren wurde, war Hannibal kaum zwanzig Jahre alt, und die Partnerschaft bestand noch nicht. Hannibal hatte fünf Töchter und einen Sohn: Hamilkar, zwanzig Jahre jünger als mein Vater und dreizehn Jahre älter als ich.
     
    * * *
    Diesen Traum habe ich so oft geträumt, daß ich längst nicht mehr sicher bin, ob die geträumten Dinge sich jemals zugetragen haben.
     
    »Da, wieder eins. Kaum noch Ruder. Löcher überm Bug. Oh oh oh. Scheußlich. Jeden Tag mehr. Wird immer schlimmer, was?« Bostar fuchtelte mit dem Granatapfel, biß dann hinein und begann Kerne auszuspucken. Die Goldschmiedewerkstatt seines Vaters lag in der Nähe der hohen Mauern, die den Kriegshafen umgaben. Dort war zwar nichts zu hören oder zu sehen, jedenfalls nicht mehr als in anderen Stadtteilen, aber die Nähe machte Bostar zu einer Art Fachmann. Der schmächtige Itubal neben ihm nickte, allerdings eher aus punischer Solidarität als aus Überzeugung. Er beschattete die Augen mit der Rechten und spähte zu dem Schiff hinaus.
    Ich verzog das Gesicht. »Blödsinn. Schlimm war bloß, wenn weniger Schiffe zurückkämen. Kaputte Trieren kann man flicken.«
    Das Kriegsschiff glitt langsam nach Süden, in die Bucht von Qart Hadasht. Es war zu weit entfernt, und viel konnte man nicht ausmachen. Bostars »Löcher überm Bug« waren reine Angabe und Erfindung; es sei denn, er hätte über Nacht Adleraugen bekommen. Zu sehen war nur, daß zwei der Ruderreihen nicht arbeiteten.
    Bostar kniff die Augen zusammen und sah mich an. »Blöder Hellene.«
    »Punischer Lehmkopf.« Ich grinste und rieb den Rücken am Fels. Die Kante drang durch den Wollstoff des knielangen Hemdrocks.
    Irgendein Insekt hatte mich zwischen den Schulterblättern gebissen, nach dem Baden.
    »Ziegenschänder, alle beide.« Daniel hatte etwas Neues aufgeschnappt und war sichtlich stolz. Der Jude wohnte außerhalb der großen Isthmos-Mauer, in einem südwestlichen Vorort an der Straße nach Tynes. Er arbeitete in den Gärten seines Vaters, versorgte uns mit Obst und brachte von den Märkten immer die neuesten Geschichten und Schimpfwörter aus dem Hinterland mit.
    Ich hatte den Vormittag über im Lager meines Vaters gearbeitet, Getreide gewogen, in Säcke verpackt, die Säcke gestapelt und auf einer Rolle verzeichnet. Dann war Bostar aufgetaucht, und da nichts Dringendes mehr zu tun war, durfte ich mit ihm gehen. Wir hatten uns eine Weile am Handelshafen herumgetrieben, in einer Garküche Fisch und Brot gegessen, den Matrosen und Sklaven beim Laden der Schiffe zugesehen. Ein Mann von einem athenischen Frachter, der eben erst eingelaufen war, wollte seine Drachmen gegen Schekel wechseln. Wir hatten ihn zu einem punischen Wechsler gebracht, aber der Hellene mißtraute allem Punischen, Bostar eingeschlossen, dankte uns und ging weiter, bis er einen Geldwechsler aus den Reihen der Metöken fand. Sein Fehler; die punischen Wechsler wurden vom Rat überwacht, ihre Münzgewichte waren auf der Unterseite mit Palme und Pferd gestempelt. Die nicht überwachten »freien« Händler mochten die Koine sprechen und einem Athener gegenüber besonders freundlich sein, aber ihre Gewichte waren zweifelhaft.
    Im Gewirr der Gassen zwischen den hohen Häusern am Fuß der Byrsa hatten wir dann Itubal getroffen, der wie immer nach der Färberei seiner Sippe stank. Er schlug vor, Daniel aufzustöbern und zum Piratensee zu gehen. Das war unsere Bezeichnung für die seichte Bucht im Nordwesten von Qart Hadasht.
    Dort verbrachten wir den größten Teil des Nachmittags. Das Wasser war warm, und in der Bucht gab es Inselchen, kaum zwei Stadien vom Strand, zu denen man um die Wette schwimmen konnte. Manchmal wurden dort interessante Dinge angespült; ein paar Tage vorher hatte ich eine aufgequollene Holzfigur gefunden, eine Göttin oder Dämonin mit fünf Brüsten. Am besten war natürlich, daß sämtliche Eltern diese Schwimmereien mißbilligten.
    Später waren wir vorbei an den armseligen Riedhütten der wenigen Fischer der

Weitere Kostenlose Bücher