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Hanibal

Hanibal

Titel: Hanibal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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Prusias auf mich hört – wenn er mich arbeiten läßt, ist Pergamon zu schlagen. Diese wankende Ecke hier oben am Bosporos läßt sich auf gute Fundamente stellen.«
    Nikomedeia sei, sagte er, nicht die geeignete Stadt, wegen ihrer Lage; sinnvoller sei eine große Neugründung unmittelbar am Bosporos, oder der Ausbau einer bereits bestehenden Polis – etwa Byzantions, das leider römischer Bundesgenosse sei. Die Landenge zwischen Europa und Asien, mit den Bergen , Erzen und unendlichen Steppen des Nordens, den alten Reichen im Osten, den hellenischen Staaten, Land und Meer, Handelswege – ein neues großes hellenisches Zentrum, weit genug von Rom entfernt, um dem Senat nicht unmittelbar als Bedrohung zu erscheinen, trotzdem nicht außerhalb der Oikumene – eine Drehscheibe des Handels und der politischen Einflüsse, mit einer guten Flotte und einem geordneten Heer mühelos zu verteidigen…
    Gegen meinen Willen mußte ich zugeben, daß es nicht nur eine winzige Möglichkeit war, sondern eine sehr große und erstrebenswerte, ein vollkommen überzeugender und gewaltiger Entwurf. Eine Metropole im Osten der Oikumene, Zentrum und Nabel für alles zwischen Baktrien und Hellas, den skythischen Steppen und Arabien.
    »Und früher oder später«, sagte er, »werden sogar die zänkischen hellenischen Dörfer wie Athen und Sparta begreifen, daß es für sie keine andere Wahl gibt. Rom trampelt alles nieder. Die Städte auf Sizilien haben unter punischer Herrschaft ihre Einrichtungen und Sitten behalten und gepflegt – jetzt ist dort alles so, wie Rom es haben will. Eine Sprache , ein Gesetz, eine Moral, eine Verwaltung. Wahrscheinlich erfinden sie früher oder später auch noch einen einzigen Gott; widerlich.«
    Eine Metropole für Makedonen, Skythen, Thraker, Armenier, Perser, Mesopotamier, Araber, Hellenen – hundert Sprachen und hunderttausend Gebräuche, als Bündnis oder Reich, Einheit in Vielfalt, gegenüber dem römischen Monolithen und seiner Vergewaltigung von allem Andersartigen? Die Scherben des Bildes, das Alexandros hinterlassen wollte, könnten sich ohne Zwang, zum eigenen und gegenseitigen Vorteil, um eine neue Mitte zu einem neuen Bild zusammenfügen; keine der einzelnen Scherben – Hellas, Makedonien, Syrien, Ägypten, Pergamon… – konnte je die anderen um sich kitten; bald mußten die Sandalen der Legionen alle Scherben zertreten, und aus dem Grus würden in einem gewalttätigen Brennofen die Stückchen für ein ödes Einheitsmosaik geformt werden. Aber eine neue Mitte, am Schnittpunkt der See und Landverbindungen!
    »Du mußt Prusias…« Ich ließ das Ende offen.
    Hannibal seufzte. »Du vergißt sechshundert Jahre Feindschaft zwischen Hellenen und Puniern. Ein punischer Feldherr, mit Staub und Ruhm bedeckt und sowieso alt, das mag angehen. Aber ein punischer Herrscher? Und Prusias’ Söhne sind Schwachköpfe.«
    Immer wieder kehrten meine Gedanken zu seinem Plan zurück; die Kühnheit und Ungeheuerlichkeit des Entwurfs raubten mir fast den Atem. Und alles war so offensichtlich – eine große reiche Stadt würde die ohnehin nicht weit entfernt verlaufenden Hauptstränge des Handels sofort, ohne jede Anstrengung, an sich ziehen und verknoten. Und alles hing nur davon ab, daß ein feister Kleinkönig drei Augenblicke lang den größten Strategen der Geschichte gewähren ließ.
    »Aber Pergamon ist mit Rom verbündet«, sagte ich schließlich. »Wenn Eumenes alles verliert, werden die Legionen kommen.«
    Hannibal stützte das Kinn in die Hand. »Das muß nicht sein.
    Ich will Pergamon nicht vernichten, nur ein wenig… begrenzen. Das Angebot zur Zusammenarbeit ist fertig; es bietet Eumenes so viele Vorteile, daß er nach der Niederlage seiner Truppen sofort zugreifen wird. Und eine Gesandtschaft an Rom wird dort einen Freundschaftsvertrag und Zusammenarbeit bei einem viel gewaltigeren Plan anbieten.«
    Im fahlroten Zwielicht, das vom westlichen Himmel noch auf den alten Tempel fiel, wirkte er plötzlich zeitlos jung; ich erwartete einen Moment lang, daß er gleich die Augenklappe abnehmen und ein neugewachsenes Auge zeigen würde. »Was für ein Unternehmen denn noch?«
    »Die gemeinsame Eroberung und Besiedlung der skythischen, thrakischen, keltischen und germanischen Gebiete bis zum Istros. Danoubis, sagt man hier, glaube ich.«
    Wir schwiegen sehr lange; bis kaum noch Sonnenlicht am Himmel war und der fast volle Mond alles mit Geistermolke überspülte.
    »Manche Dinge sind für einen greisen

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