Hanibal
Möglichkeiten, die in Iberien stecken, die Zukunft von Qart Hadasht aufs Spiel setzen wegen – eines Gefühls wie Haß oder Liebe?« Er grinste und stieß sich von der Wand ab. »Wobei mir die Lust ausgeht, weiter über Rache zu reden. Ich habe Besseres zu tun. Schlaf gut, Tiggo.«
So kurz vor dem Ziel hatten sie nachmittags länger gerastet und waren dann die Nacht hindurch geritten. Antigonos war bei Hasdrubal an der Spitze des langen Zugs. Zweihundertfünfzig schwere Reiter und siebenhundert libysche Hopliten deckten die Karren und Packtiere mit Getreide, Obst, Salzfleisch und Wein. Im Morgengrau hoben sich die Hügel aus der Hochsteppe; feine Dunstschleier verhüllten die Bergzüge am Horizont.
Hamilkars Lager befand sich in einem Tal, durch das ein kleiner Fluß rieselte. Die Posten hatten den Zug längst entdeckt, als freundlich eingestuft und keinen Alarm gegeben. Als Hasdrubal und Antigonos um die Felsen am Taleingang ritten, begrüßt von den Männern der letzten Wachtschicht, sprangen die Schläfer der ersten Nachtwachen auf. Bei ihnen war Hannibal; er hatte wie die anderen auf dem nackten Boden geschlafen, nur in seinen grauroten Mantel gehüllt. Die Zähne blitzten in dem braunen Gesicht mit dem schwarzen Bart, als er das britannische Schwert zog und es grüßend vor Hasdrubal und Antigonos hob. »Weckt den Alten«, sagte er lächelnd.
»Wir sehen uns später.«
Sie ritten weiter. Überall regten sich die Schläfer. Das Zelt in der Lagermitte wurde jäh geöffnet; die mächtige Gestalt des Strategen von Libyen und Iberien erschien. Um die Schultern hing das Fell des weißen Bären; ansonsten war Hamilkar nackt. Die eisgraue pelzige Körperbehaarung wirkte wie ein Teil des Bärenfells, und das gewaltige Glied schien eher Nahkampfwaffe zu sein als Werkzeug der Liebe. Hamilkar umarmte die beiden und röhrte Befehle; dann kleidete er sich eilig an.
Soldaten brachten Klapptische, Schemel, heißen Würzwein , Fladenbrot und kalten Braten. Andere Männer kümmerten sich um die Pferde. Am Taleingang herrschte geordnetes Durcheinander; die Vorräte wurden gesichtet, verteilt oder neu verpackt. Die Truppen aus Karduba schlugen Zelte in der Ebene auf, da das Tal zu eng für alle war.
»Wo sind deine Söhne, Diener des Melqart?«
Hamilkar wischte sich den Mund, setzte den Becher ab und warf Antigonos einen mißbilligenden Blick zu. »Auf einem Feldzug gibt es keine Söhne, Tiggo – nur Krieger. Dies ist der Platz der Führer. Mago ist bei den libyschen Fußkämpfern. Hasdrubal bei den Elefanten, eine halbe Stunde westlich von hier, in einem anderen Tal. Und Hanmbal kümmert sich um eure Karawane.«
Hasdrubal rammte das Messer in die Tischplatte. »Wo sind denn all deine Leute? Auf wieviel Täler hast du sie verteilt?«
»Vier.« Hamilkar grinste. »Die Vettonen beobachten uns wahrscheinlich; so haben sie mehr Mühe mit dem Zählen. Und die Täler hier sind wirklich zu eng für alle. Wir marschieren getrennt. Dabei behindern wir uns auch weniger.«
Nach dem Frühstück begann die Beratung zwischen dem Strategen und seinem Stellvertreter. Hasdrubal erwähnte römische Kaufleute, die weit im Norden gesehen worden waren, zwischen dem großen Strom Iberos und den Pyrenäen. Hamilkar zuckte mit den Schultern.
»Das Land gehört nur denen, die es bewohnen. Sollen die Römer doch handeln. Solange sie keine Legionen schicken…«
Antigonos ließ die beiden zurück und wanderte durchs Lager. Am Taleingang fand er Hannibal. Der Achtzehnjährige schien jeden einzelnen Kämpfer zu kennen, redete sie mit Namen an, gab kurze klare Anweisungen, denen die Männer sofort folgten. Er war unausgesetzt in Bewegung; als ob der sehnige Körper des jungen Mannes nicht alle Energie bergen könne.
Draußen in der Ebene flackerten Feuer zwischen den Zelten.
Die müden Leute aus Karduba standen oder hockten herum. Ein libyscher Hoplit, den Rücken an einem Stapel Marschgepäck, saß auf dem Boden und betrachtete seinen rechten Fuß. Er war geschwollen und schwärzlich verfärbt. Mit den Daumennägeln versuchte der Mann, einen Dorn aus der Ferse zu drücken.
Hannibal blieb vor ihm stehen und schüttelte den Kopf.
»Dummer alter Fofo«, sagte er auf Libysch. »Die Truppe ist so schnell wie der langsamste, und kein Hoplit ist besser als seine Füße.«
Der Libyer – er mochte dreißig Jahre alt sein – blinzelte verlegen zu Hannibal auf. »Hab ich schon mal gehört, Fürst der Reiter«, sagte er. »Aber es ist doch nur
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