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Hanibal

Hanibal

Titel: Hanibal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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Rückkehr rechnete, hatte er die übrigen Krieger angewiesen, ihr schweres Gepäck bei Banno zurückzulassen und nur mitzunehmen, was sie selbst tragen oder auf den wenigen Packtieren verstauen konnten. Die Elefanten, fünfzigtausend Fußkämpfer und neuntausend Reiter hatten die Pyrenäen überquert und rasteten nun einen Tag in der Ebene und am Strand. Viele schliefen; die übrigen, abgesehen von Posten und Streiftrupps, hatten Waffen und Rüstungen abgelegt, plantschten im seichten Uferwasser oder hockten zwischen den Büschen, aßen und redeten. Die Ausläufer der Berge sperrten Rückweg und Himmel. Es war windstill; das Meer lag blaugrün, gleichmütig und ewig.
    »Was hast du gegen den Herbst?« Antigonos rutschte von dem kleinen Felsen, las weitere Kiesel auf und brachte sie dem Strategen.
    Hannibal lächelte. »Danke, Tiggo. Im Herbst werden die Pässe in den Bergen unpassierbar; etwa zur Zeit der Tag-und- Nacht-Gleiche, Ende Ulul, beginnt der Schnee.«
    »So früh?«
    »Alter Schnee. Lawinen. Schneien wird es erst später. Aber es wird sehr kalt.«
    Antigonos deutete in die Ebene. »Und all die Männer und Tiere müssen essen. Ich… mir wird immer noch schwindlig, wenn ich an dein Unternehmen denke. Wann wirst du es ihnen sagen?«
    Hannibal runzelte die Stirn. »Wenn wir den Rhodanos hinter uns haben. Sonst wäre der Rückweg zu leicht.«
    Antigonos lehnte sich an Hannibals Felsen. »Damit mußt du rechnen, ja. Aber warum dieser Rasttag heute, wenn so wenig Zeit bleibt?«
    »Warten auf Nachzügler – in den Bergen sind bestimmt noch Leute unterwegs. Neuordnen der Marschgruppen.« Er kniff die Augen zusammen und starrte auf das Meer hinaus. »Und gestern gab es eine Versammlung keltischer Fürsten in Ruskino. Heute nachmittag oder abend werde ich erfahren, ob sie uns marschieren lassen.«
    »Oder nicht.«
    Hannibal hob die Schultern. »Das Meer«, sagte er halblaut.
    »So sitzen und das Meer befragen und denken. Wein trinken.
    Eintauchen. Ah.«
    Antigonos legte die Hand auf Hannibals Rücken. »Wach auf, Stratege. Der Pharao darf nicht vom Großen Grünen träumen; er hat die Seinen zu nähren und den neidischen Göttern zu trotzen.«
    »Ich weiß. Trotzdem.« Er schloß die Augen und atmete tief.
    »Salz«, murmelte er kaum hörbar. »Tang. Das große Wiegen. Weite. Ich hasse die Berge.« Er öffnete die Augen wieder.
    »Gefängnisse, kalte hohe Kerkerwände. Vor allem die Alpen.« Er grinste, aber die Mundwinkel sackten sofort wieder ab.
    Antigonos stand auf. »Ich überlasse dich deiner Seesucht, Freund. Genieß die Ruhe. Fünf Atemzüge; dann wird wieder jemand etwas von dir wollen.«
    Hannibal streckte die Hand aus. »Du verläßt uns am Rhodanos?«
    »Ja. Bomilkar wird mit der Schwinge vor der Mündung kreuzen, mit falschen Segeln – ohne Auge des Melqart.«
    »Hoffentlich.«
    »Was meinst du?«
    »Die Römer. Die römische Flotte. Und die Massalioten.
    Vielleicht mögen sie keine Gäste.«
    Antigonos rümpfte die Nase. »Die Römer mögen überhaupt nichts und niemanden.«
    »Und danach?«
    »Ich weiß noch nicht. Qart Hadasht; wahrscheinlich aber zuerst dein neues Qart Hadasht. Warum?«
    Hannibal zögerte. »Imilke und Hamilkar«, sagte er dann.
    »Wenn es wirklich den ganz großen Krieg gibt…«
    Antigonos seufzte. »Du hast es doch selbst versucht.«
    »Ja, aber sie wollte nicht. Sie wollte ja sogar mit – auf dieses wahnsinnige Unternehmen.«
    Imilke hielt sich, soweit Antigonos wußte, mit dem zweijährigen Sohn abwechselnd – wenn Hannibal dort war – in Qart Hadasht/Mastia oder bei ihren Verwandten im Quellgebiet des Baits auf. Sie war nicht dazu bereit gewesen, nach Qart Hadasht in Libyen zu reisen, wo sie kaum jemanden kannte.
    »Vielleicht ändert sie ihre Meinung«, sagte Antigonos schneidend, »wenn du erst unter einer Lawine liegst. Oder wenn der Cornelier in Iberien erscheint. Ich will es versuchen.«
    »Versprochen?«
    »Natürlich, Hannibal. Habe ich je…?«
    »Nein. Natürlich hast du nie. Oder immer.« Er grinste.
     
    Boten kamen und gingen; am Morgen brach das riesige Heer auf. Die neuen Marschreihen verwirrten viele, so auch Antigonos; Hannibal ließ die erprobten langgedienten Soldaten im vorderen Teil des Zugs gehen, bis auf einige hundert Libyer, die zusammen mit Reitern die Flanken der Nachhut schützten. Aber diese Nachhut neuer iberischer Kämpfer war hinten so gut wie offen. Am Abend fehlten bereits etliche. Der graue Meister der Versorgung nahm die Dinge

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