Hanibal
gelassen.
»Man muß abwägen, Tiggo. Von zwei schlechten Möglichkeiten die weniger schmerzliche nehmen.«
In der Ebene flackerten Feuer. Hasdrubal und Antigonos saßen am Ufer des kleinen Flusses, den das Heer am Morgen überschreiten mußte. Auf dem jenseitigen Ufer lagerte ein Teil der Numider; die Umrisse grasender Pferde zeichneten sich vor den Feuern ab.
»Welche Möglichkeiten, Hasdrubal?«
»In fünf Jahren, oder sogar in drei Jahren, hätten wir die doppelte Menge erprobter Kämpfer mitnehmen können – und müßten sie alle ernähren. Ein paar gute Leute sind bei Banno geblieben, das war nicht anders möglich. Wir haben immer noch fast ein Viertel Neulinge dabei, die erst allmählich verstehen, worauf sie sich eingelassen haben. Irgendwann werden sie uns verlassen. Hier können sie noch zurück, nach Iberien, und wir brauchen weniger Vorräte auf dem… dem langen Marsch. Wenn wir erst am Ziel sind, könnten sie nur zum Feind überlaufen. Besser, sie gehen jetzt.«
Am Abend des folgenden Tags sollte das Heer Illiberis erreichen, eine kleine Stadt der südlichen Gallier; das Volk nannte sich Sordonen. Dort war ein Treffen zwischen Hannibal und den Fürsten der Tektosager, Arekomikier, Baitirenser, Konsuraner, Helvier und Sordonen vorgesehen. Hannibals Kundschafter durchzogen bereits die Gebiete am Rhodanos und suchten herauszufinden, wie die mit den Massalioten nicht gerade befreundeten Hellenen der Stadt Theline sich verhalten würden. Aber wichtiger war, was in Illiberis geschah; ob das Heer friedlich weitermarschieren konnte, aus Begeisterung oder gegen Bezahlung von den Bewohnern des Landes versorgt, oder ob weitere Zeit durch Kämpfe und Verpflegungszüge verlorenging, hing allein von Hannibal und seinem Verhandlungsgeschick ab.
Die Tore von Illiberis standen offen; ein gutes Zeichen. Hannibal wies seine Offiziere an, dafür zu sorgen, daß dennoch keiner die Stadt betrat – ein Zeichen der Höflichkeit. Dann ritt er mit wenigen Begleitern zur Verhandlung.
Antigonos verbrachte den Abend mit seinem Sohn und einem Krug Wein bei den Elefanten. Memnon war schweigsam und müde; bei der ungeheuren Menge von Kämpfern gab es am Ende eines Marschtags fast soviel zu tun wie nach einem Gefecht – verstauchte Knöchel, Dornen, Entzündungen, kranke Mägen, Gesäßschwierigkeiten bei den Reitern, Arm und Beinbrüche nach Stürzen, auch kleinere Verletzungen nach Streitereien.
»Ungefähr hundert bis hundertfünfzig Abgänge am Tag« , sagte er. »Zurück nach Iberien. Verstärkung für Banno. Wir haben keine Karren und können Verwundete oder Kranke nicht ewig schleppen. Woher hast du den Wein, Vater?«
Antigonos deutete in den westlichen Nachthimmel. »Ein Gespräch mit ein paar gallischen Händlern, heute früh.« Er betrachtete das früh gekerbte Gesicht des Achtundzwanzigjährigen, dachte an Isis, dann an Tsuniro und verfluchte die Nacht.
Der Führer der »Inder« kauerte sich an ihr Feuer, ein ägyptischer Pfleger mittleren Alters. Er trug nur einen schmutzigen Schurz und ein längst nicht mehr weißes Band um die Stirn. Als Antigonos den Krug hob, zog der Mann grinsend einen Lederbecher aus den Falten seines Hüftgewands.
»Was machen deine Lieblinge?«
Der Ägypter verneigte sich kauernd, hob den Becher vor Antigonos, trank und schmatzte. »Ah. Gut. Beides, Wein und Große Freunde.«
Die Tiere waren still. Undeutlich sah man sie an ihren Pflöcken schaukeln. Der eigenartige Geruch überlagerte sogar den Duft harzigen Holzes aus dem Feuer.
»Gut, daß nicht Große aus Libyen«, sagte der »Inder«. Memnon blickte den Pfleger an; das Flackerlicht des Feuers schien aus seinen Augen zu spritzen. Antigonos dachte wieder an Isis.
»Warum, o fürsorglicher Hüter der Elefanten?« sagte der junge Arzt auf Ägyptisch.
»Hannibal ist klug – wie wir wissen.« Der Mann war hörbar erfreut, nicht weiter Punisch sprechen zu müssen. »Die großen Tiere aus den libyschen Steppen sind gut gegen Iberer. Und sehr gut gegen Numider. Aber sehr schlecht, fürchte ich, für Bergland im Norden oder nasse Gebiete. Außerdem – noch ein Geruch.«
Die kleineren Elefanten aus den Wald und Bergländern des punischen Libyen, aus Numidien und Gätulien waren schon lange mit den Pferden vertraut und umgekehrt. Aristons großartiges Geschenk, die mächtigen Steppenelefanten mit ihrer Schulterhöhe von fast zwölf Fuß, rochen anders und hatten durch ihre Größe und Ausdünstung selbst jene Pferde erschreckt, die
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