Hanibal
Metöken gehörte; sie war die Bank mit dem auffälligsten Namen; und Antigonos hatte – mit Billigung der Priesterschaft – das auffälligste Symbol gewählt. Priesterliche Billigung hätte er eigentlich nicht gebraucht, aber sie konnte nicht schaden. Ein verändertes Emblem, eine ins Bild gesetzte Redewendung: Aus dem Zeichen der gütigen Mutter Tanit – einem rhombischen Rumpf mit Brüsten und Kopf, darüber Mond und Sichel – wurde eine fast dreieckige, stilisierte Vulva; Mond und Sichel, ins Dreieck abgesenkt und in den Bezügen zueinander verwandelt, wurden Auge und Braue. »Rotes Auge des Melqart!« – ein Ausruf der Verblüffung, manchmal ein Fluch, aber kein Emblem des »Königs der Stadt« und insofern nicht unbedingt von seinen Priestern zu billigen.
Alles zusammen ergab das Symbol der Sandbank, und »Glotzmöse«, wie der Lastträger gemurmelt hatte, war noch eine der harmloseren Bezeichnungen.
Es hatte punischer Strohmänner bedurft und gewaltiger Weihegaben an die Tempel. Antigonos glaubte nicht an Götter; er glaubte jedoch an die Möglichkeit der Priester, durch ein billigendes Wort an der richtigen Stelle die Zulassung einer neuen Bank zu fördern. Deshalb hatte er sich an die Tempel gewandt, als er nach dem Tod seines Vaters Aristeides mit dem ererbten Vermögensteil und den eigenen Mitteln als Achtzehnjähriger ins Geschäft einsteigen wollte. Zu seinen ersten Kunden hatten viele Hetären von Qart Hadasht gehört, denen er im Zeichen von Tanit und Melqart nicht vier, sondern viereinhalb Hundertstel Zins auf Guthaben einräumte – die Stadt hatte sich darüber amüsiert und tagelang von der Bank geredet.
Das Haus stand in der Mauer, die den Hafen von der Stadt trennte. Es gab Geschäftsräume am Kai und andere an der belebten Straße vom Hafen zur Agora. Nur Mitarbeiter durften zwischen beiden Teilen wechseln; alle anderen hatten die von Posten bewachten Ausgänge aus dem Hafenbezirk zu benutzen. Bostar hielt sich in den Räumen am Kai auf. Er stieß einen gellenden Schrei aus, als er seinen alten Freund sah, sprang über den langen Marmortisch, drängte sich durch die Kunden und umarmte Antigonos.
»Du-woher-wann-ah, gut dich zu sehen. Wie…?«
»Langsam, langsam.« Antigonos lachte.
»Du stinkst«, sagte Bostar. »Dein Haar ist zu lang, der Bart unmöglich. Du brauchst ein Bad, Duftwässer, frische Kleider und einen Haarstutzer.« Er grinste breit und hieb Antigonos auf die Schulter.
»Kommt alles. Zuerst mal…« Er wandte sich dem Träger zu und winkte ihm. Bostar klappte den beweglichen Teil der Tischplatte hoch und ging voraus. Als die schwere Last in Bostars Raum gebracht war, warf Antigonos dem Libyer einen halben Schekel zu – fast das Doppelte dessen, was der Mann an einem normalen Tag verdiente.
Der Libyer verneigte sich tief. »Herr, wenn du nochmal Steine, Sand oder Gold zu schleppen hast…«
»Was für Gold?« sagte Bostar, als sie allein waren.
»Er hat es nicht geglaubt, aber es stimmt.« Antigonos wies auf den Ballen. »Etwas über zwei Talente.«
Bostar pfiff durch die Zähne. »Andere Leute werden entführt , und man muß Lösegeld für sie bezahlen. Du läßt dich von Numidern verschleppen und tauchst mit Gold wieder auf. Wie machst du das? Eh, der Kurs ist übrigens im Moment siebzehn zu eins.«
»Nett.« Antigonos rechnete schnell. »Ungefähr fünfunddreißig Silbertalente, hundertsechsundzwanzigtausend shiqlu. Nicht so gut wie vor zwei Jahren, aber immerhin.« Damals, bei seiner Rückkehr nach Qart Hadasht von langen Reisen, hatte er Perlen aus Taprobane mitgebracht, im Gegenwert von fast fünf Talenten Gold.
Bostar grinste und tippte sich an die Schläfe. »Blöder Hellene.«
»Punischer Lehmkopf.«
Sie lachten wieder. Bostar sprang auf, holte einen dunkelgrünen Weinkrug mit dem Symbol der Bank und zwei Becher aus geschliffenem Kristall.
»Hier. Trink. Auf dich und deine Rückkehr.«
Antigonos hob den Becher. »Auf das Auge, die Dose und den Sand.« Er lächelte.
»Also, wo bist du gewesen? Wir haben deine Nachricht aus dem Süden gekriegt, im Winter, von einem Händler; der hatte sie von den Garamanten. Und dann nichts mehr, bis plötzlich dein Schreiben aus Gadir kam.«
Antigonos lehnte sich zurück; das weiche Leder des Scherenstuhls seufzte. In knappen Worten berichtete er – von der Besichtigung des großen Landguts, am Südrand des punischen Libyen, in der Byssatis; von der Gefangennahme durch aufständische Numider, die ihn in die Steppe
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