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Hanibal

Hanibal

Titel: Hanibal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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Sternen ausrichteten – diese Händler gehorchten längst nicht mehr den mutmaßlichen Ratschlüssen wandelbarer Götterbilder. Nicht einmal die beharrenden alten Familien, deren Reichtum nicht aus der Welt, sondern aus dem Boden des Hinterlands kam, gehorchten ihnen und den Priestern; sie mochten totgeborene Kinder oder Kinder, die im frühesten Alter an Krankheiten gestorben waren, zum Tempel bringen und dort mit düsteren Gesängen, dröhnenden Gongs und flackernden Opferfeuern den uralten mulk feiern. Aber das letzte der grausamen Kinderopfer lag mehr als sechzig Jahre zurück; und bereits damals, als Agathokles Qart Hadasht belagerte und man die Götter versöhnen wollte, war es ein Rückgriff auf längst aufgegebene Gepflogenheiten gewesen – wie die Priester und Chronisten ausdrücklich festgehalten hatten: Die Götter seien ungnädig, weil seit zahllosen Jahrzwölften das mulk-Opfer vernachlässigt wurde.
    Antigonos war so tief in Gedanken, daß er zu weit ging; plötzlich fand er sich auf der breiten Straße hinter dem Teil des Mauersystems, der am Nordstrand des Sees von Tynes verlief. Er zuckte mit den Schultern und ging zur Vorderseite des Hauses. Hier lagen, an der Straße, die Geschäftsräume und Lagergewölbe. Antigonos trat auf den großen dunklen Innenhof und stieg die Treppe zum dritten Stockwerk hinauf. Nirgendwo brannte Licht; offenbar hatte Kassandros den Sklaven freigegeben.
    Die Räume waren unverändert, bis auf Kleinigkeiten. Im großen Speiseraum, aus dessen Fenstern man auf den See blickte, stand eine Truhe aus dunklem Holz. Die Schnitzarbeit schien sehr verwirrend zu sein, soweit es im Halbdunkel auszumachen war. Antigonos’ Schritte hallten durch den langen hohen Flur. Die beiden Räume, die er zuletzt benutzt hatte, rochen sauber und waren aufgeräumt, ansonsten unangetastet. Er warf den Reisebeutel in eine Ecke, löste den unter Tunika und Schurz getragenen Münzengürtel, steckte eine Handvoll Münzen in ein Beutelchen, in die aufgenähte Tasche der Tunika und verließ das Haus.
    Nördlich der Straße, die von der Agora zum Tynes-Tor führte, hatte sich in der Frühzeit der Stadt eine ausgedehnte Nekropolis gebildet. Später war man zu seltsamen Verbindungen zwischen der Achtung vor den Toten und den Bedürfnissen der wachsenden Bevölkerung gelangt. Die tiefen Schachtgräber waren überwölbt und ummauert worden; dann hatte man am Westhang der Byrsa neue Straßen und Gebäude über der Nekropole angelegt. Die labyrinthischen Höhlen und Gänge darunter waren teilweise noch zugänglich. In kalten Wintern krochen bisweilen Mittellose dort hinein, um die Nacht mit Ratten und Geistern zu verbringen.
    Antigonos dachte an endlose, beklemmende Räuberspiele in den verbotenen Tiefen, während er sich einem der Badehäuser am Fuß der Byrsa näherte. Die Bäder waren meist bis Mitternacht geöffnet und dienten auch als Orte der Begegnung; es hieß, die Badehäuser könnten Hafenschänken, Rat, Handelsvereinigung und Tempel ersetzen, da hier mehr politische Abmachungen getroffen, Geschäfte vereinbart, Dirnen vermittelt und Ehen angebahnt würden als dort.
    Antigonos wählte ein abgelegenes, ruhiges Badehaus, das er von früher kannte. Mit dem Bademeister, einem feisten Libyphöniker aus Hadrymes, besprach er seine Wünsche und handelte den Preis aus.
    An den Wänden des Bads gab es abgeteilte Kammern, deren hölzerne Verschalungen nicht bis zur Decke reichten. Aus dem großen Raum fiel Licht auf die breite Liege. Antigonos entkleidete sich.
    Das Bad wurde von Fackeln, Öllampen und einem Feuer zwischen vier mit grünem Wasser gefüllten Glaskästen erhellt. Ein Teil der Decke bestand aus dickem Glas; über dem Bad befand sich eine kleine Garküche, und das Bratfeuer von oberhalb füllte den Baderaum mit milchig rotem warmen Licht, das sich nicht mit dem grünlichen Flackern mischen wollte.
    Zwei kräftige Badeknechte besprühten ihn mit heißem Wasser, salbten ihn ein und wuschen ihn ab. Sie gossen herbe Duftwässer in ein Marmorbecken, füllten es auf, und Antigonos entspannte sich in nasser Hitze, während die Badeknechte einen Punier mittleren Alters walkten, salbten und schließlich in Tücher wickelten.
    Dann kam Antigonos an die Reihe. Muskeln, die er auf der langen Schiffsreise verspannt hatte, wurden eingeschläfert; Sehnen, die vergessen waren, wurden geweckt; die Badeknechte kneteten ihn, salbten ihn aus verschiedenen Töpfchen – eines enthielt, dem Geruch nach, vor allem

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