Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hanibal

Hanibal

Titel: Hanibal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
Vom Netzwerk:
rostendem Kupfer, und die hellen Häuser am Ostufer der Bucht flammten auf.
    Die Seemauer, hinter der die feine Vorstadt Megara lag, glitt vorüber; überall waren Köpfe zu sehen, und auf den ungewöhnlich dicht besetzten Wachttürmen wurden Fahnen und Speere geschwenkt. Irgendwo gellte eine Signaltrompete. Auf der großen Außenmole und den an ihr liegenden Schiffen herrschte großes Gedränge.
    »Segel weg! Ruder raus!« Der Kapitän blickte über die Schulter zurück. »Wir müssen erst die Helden vorbeilassen.« Die Penteren zogen vorüber. Eine war leicht beschädigt , brauchte aber nicht geschleppt zu werden. Der Offizier hob den rechten Arm; auf dem Achterdeck des Kriegsschiffs erwiderte jemand den Gruß.
    »Ruderfrei!«
    Die Matrosen begannen zu pullen. Langsam setzte sich der schwere Frachter in Bewegung, kroch hinter der beschädigten Pentere um die nach Südosten ragende Mole in den rechteckigen Handelshafen hinein. Die Kriegsschiffe glitten in den engen Durchlaß zwischen den Mauern, die den nördlichen Kothon umgaben, den runden Kriegshafen. Als die letzte Pentere ihn passiert hatte, wurde die Kette hochgezogen, die die Einfahrt sperrte. Dröhnend schlossen sich die Eisentore.
    Der Offizier und die Bogenschützen, die nicht zum Einsatz gekommen waren, sprangen als erste auf den Kai. Sie hatten noch einen langen Weg, durch die Stadt zur riesigen Westmauer mit ihren Truppenunterkünften, Stallungen und Waffenschmieden. Es würde aber ein guter Weg werden, gesäumt von Feiernden und Jubelnden.
    Antigonos winkte einen Lastträger herbei und führte ihn in den engen Verschlag unter dem Achterdeck. Er schulterte seinen leichten Beutel und wies auf einen dicken Ballen, der mit Leder umhüllt war.
    Der stämmige Libyer hob die Last an und ächzte. »Was hast du dann, Herr? Blei?«
    Antigonos grinste. »Fast richtig. Gold.«
    Der Träger lachte. »Na gut, Gold. Wohin, Herr?«
    »Zur Sandbank.«
    Der Träger murmelte etwas, ging über den schwankenden Steg an Land und wartete, bis Antigonos sich von Kapitän und Steuermann verabschiedet hatte. Dann schritt der Libyer wuchtig aus. Er war barfuß, trug eine speckige Wollmütze, und seine zerfetzte Tunika stank nach Schweiß und Bratstuben.
    Antigonos folgte, mit weit offenen Augen und geblähten Nasenflügeln. Er kannte die Häfen Alexandreias, den Flußhafen von Pa’alipotra am großen Ganges, Hauptstadt des indischen Herrschers Ashoka, die Häfen von Taprobane und der arabischen Weihrauchküste, das neue Berenike und das uralte Gadir, aber der Handelshafen von Qart Hadasht war einzig. Frischer Fisch, ältlicher Fisch, Thunfischgekröse im tiefbraunen Brackwasser, Farbe auf trockenem Holz, morsche Kähne, fauliger Tang, Salz und heißes Pech, Schweiß von tausend Männern, teerige Taue, der scharfe Dunst rostiger nasser Eisenteile, Pferde, Pferdeäpfel, der Geruch der Zugochsen – er sog alles in sich auf, auch die seltsamen Aromen aus einem Lagerschuppen, in dem einige Flaschen mit Duftwässern zerbrochen waren. Ein betrunkener Hafenarbeiter rülpste Wein aus, erbrach sich ins Becken. Am Südende rasselte die zweiteilige Brücke herunter; Karren rollten über die Hafeneinfahrt. Das Quarren der schweren Hebebäume mit ihren Steingewichten; bald würde man mit dem Entladen der Eisenbarren beginnen.
    Der Osten, zwischen Hafen, Seemauer und Außenmole, war die Welt der Werften, Werkstätten, Lagerhallen, Schuppen. Männer mit roten Schurzen turnten auf einem kleinen Lastensegler herum, der oberhalb einer Helling festgemacht war; aus der Halle daneben dröhnten Hammerschläge. Das Boot konnte jederzeit ins Rutschen gebracht werden, sobald ein paar Keile entfernt waren.
    Am Westrand, zwischen Stadt und Hafenbecken, waren die Kornspeicher, Umschlaglager, die Läden der Ausfuhrhändler, Zubehörwerkstätten, Tavernen.
    Und die Bank. Der Name »Sandbank« war zunächst ein Witz gewesen. Aber »Sand« war auch eines der vielen gängigen Wörter für Geld, vor allem kleine Münzen aus Kupfer, Bronze und Elektron. Und »Anstalt für gedeihlichen Münzumlauf« oder »Bank zur Förderung des Mißtrauens zwischen Puniern und Hellenen«, derlei Bezeichnungen gab es reichlich. Ebenso wie freie Wechsler, die verschiedenen Staatsbanken – von Qart Hadasht, von Alexandreia, von Massalia, von Pergamon –, dazu Banken punischer Großherren und etliche Einrichtungen, hinter denen Vereinigungen von Händlern oder Grundbesitzern standen. Aber die Sandbank war die einzige, die einem

Weitere Kostenlose Bücher