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Hanibal

Hanibal

Titel: Hanibal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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verkeilt, der Deckel des Wasserfasses verschraubt, die Taurollen und tausend andere Dinge, die sonst lose herumlagen, beiseitegeschafft oder festgezurrt. Das Deck wirkte befremdlich glatt und ordentlich.
    Der Kapitän kam den Aufgang zum Achterdeck herauf, zwei Stufen auf einmal. Er blickte hinauf zum Segel, nickte dem jungen Fahrgast zu, der an der Heckwand lehnte, und deutete dann nach rechts, zum libyschen Festland. Dort flackerte etwas in regelmäßigen Abständen: Signalfeuer.
    Der punische Offizier hob die Schultern. Auch er trug einen ledernen Brustschutz über der Tunika. Den roten Umhang hatte er im Schlafraum unter dem Achterdeck verstaut; der Helm mit dem roten Busch lag zu seinen Füßen. »Du solltest lieber aufs Meer schauen«, sagte er. Seine Ohren starrten von Ringen.
    Der Kapitän kniff die Augen zusammen. »Wieso? Ha. Da sind sie. Fünf – ah, sieben. Trieren. Melqart soll sie zerschmettern.« Er nickte mehrmals heftig und fuhr sich mit der Rechten durch den grauen Bart.
    Der Offizier klickte mit der Zunge. »Nicht aufregen. Und Kurs halten.« Er trat neben den Steuermann.
    »Keine Sorge, Söhnchen, ich meinte ›Herr‹.« Der Steuermann grinste kurz, dann beugte er sich über die Bordwand. Graugrünes Wasser gurgelte um den bronzebeschlagenen Balken, der an der rechten Außenseite des Achterdecks in seinen Bronzeringen bebte. Das Blatt des Steuerruders war nicht zu sehen. »Aber ein bißchen schneller wäre schön.«
    Mittschiffs strömte das Wasser knapp drei Handbreit unter dem Bord des schwerbeladenen Schiffs entlang; mehr als gemächliche Fahrt war auch bei gutem Wind nicht möglich.
    Am Fuß des Masts knieten drei Matrosen. Sie hatten die Augen geschlossen, die Hände erhoben und sangen etwas Dumpfes, Düsteres in einer harten Zunge. Ihre nackten Oberkörper bewegten sich rhythmisch vor und zurück.
    »Sardonier«, sagte der Kapitän. Er trat neben den jungen Mann an die Heckwand. »Sandalioten, Antigonos. Sie beten um gnädige Aufnahme in die Anderwelt.«
    Antigonos lächelte flüchtig. »Wenn ihre Anderwelt so unbehaglich ist wie ihre Sprache…« Er blickte wieder aufs Meer hinaus.
    Die Kriegsschiffe krochen über das Wasser. Sie kamen von Nordosten, ruderten gegen den Wind. Die Masten waren längst niedergelegt.
    Der Offizier hüstelte. »Es gibt Schlimmeres. Die Dialekte der balliarischen Schleuderer, zum Beispiel. Und Latein ist auch nicht besser. Aber den Übergang in die andere Welt schaffen sogar Stumme. Leider auch Römer.«
    Die Trieren kamen jetzt schnell näher. Antigonos seufzte , bückte sich, hob den Brustschutz auf und legte ihn an. Er hatte bis zum Schluß warten wollen, aber nun fand er die Lage ungemütlich. Inzwischen waren die schwarzen Enterbrücken zu erkennen, gegen die noch niemand eine Abwehr gefunden hatte. Vor dreizehn Jahren, im dritten Jahr des großen Sizilischen Kriegs, war zum ersten Mal eine römische Flotte entstanden, Nachbauten eines gestrandeten punisches Schiffs; und da sie niemals die jahrhundertealte Erfahrung der Punier mit Meer und Schiffen aufholen konnten, hatten Roms Strategen diese Enterbrücken erfunden, die Schiffe mit Fußsoldaten vollgepfropft und Seeschlachten zu Landgefechten auf dem Wasser gemacht.
    Der Offizier schien ähnliche Gedanken zu denken. »Diesmal werden ihnen die verdammten Raben nichts nützen«, sagte er halblaut. »Sie werden nicht nah genug herankommen, um die Schnäbel in unsere Schiffe zu hacken.« Er gab dem Kapitän ein Zeichen.
    Ein schriller Pfiff auf drei Fingern. Die Matrosen machten sich bereit. Der Offizier bückte sich, holte unter seinem Helm eine Trompete hervor, setzte sie an den Mund und blies hinein.
    Die römischen Schiffe, Reste der großen Flotten, überfielen seit einiger Zeit Frachtsegler vor den libyschen Küsten; sobald sich eine Flotte von Kriegsruderern näherte, verschwanden sie. Nun hatte der punische Nauarch einige Schiffe in Nachtfahrten nach Westen geschickt; vor Hipu hatte man gewartet, bis genügend Handelsschiffe mit Kurs Qart Hadasht bereitlagen – als Lockvögel. Jeder Händler mußte einen Offizier an Bord nehmen, außerdem Bogenschützen, und die kleine Flotte segelte weiter von der Küste als sonst. Der Vater des Einfalls war Hamilkar, wie der Offizier sagte.
    »Segel weg! Abfallen nach Steuerbord!« Die Stimme des Kapitäns hallte über das Schiff; Antigonos lauschte vergebens nach Untertönen von Angst oder Unsicherheit.
    Alle fünfzehn Frachter machten das Manöver mit. Plötzlich

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