Hanibal
waren große Lücken in der Doppelreihe der Schiffe.
Die sechs punischen Penteren hatten sich hinter der Abschirmung gehalten. Jetzt fielen dort die Masten und Segel; gleichzeitig tauchten die langen Ruder ins Wasser. Nur ein Ruderdeck, aber an jedem Ruder fünf Männer – die Beschleunigung und Wucht, die die Schiffe nahezu aus dem Stand erreichen konnten, war furchtbar. Sie schossen durch die Lücken, den Römern entgegen.
»Segelhoch! Zurück auf den alten Kurs!«
Der Steuermann wartete genau den winzigen Moment ab, da das Segel sich zu füllen begann und das Schiff wieder Druck bekam.
»Dumm«, knurrte der Offizier. »Zu dumm, die Römer.«
Der Frachter lag wieder auf Kurs; die übrigen folgten in zwei Doppelreihen.
»Warum dumm?« Antigonos blickte dorthin, wo der Zusammenstoß der Kriegsschiffe gleich erfolgen mußte. Wirre Trompetensignale wurden vom Wind zerfetzt.
»Handelsschiffe geraten durcheinander, wenn Kriegsschiffe sich auf sie stürzen. Daß wir nicht wie die Gänse abgehauen sind, hätte sie eigentlich warnen müssen.«
Das beginnende Seegefecht blieb rasch zurück; vom Achterdeck des ersten Frachters war nur ein Teil der Kämpfe zu überblicken. Eine punische Pentere fuhr zwischen zwei römischen Trieren hindurch. Die Ruder der linken Seite wurden blitzschnell eingezogen, die der rechten hoben sich aus dem Wasser. Die Römer waren auf einen Kampf mit einem gleichwertigen Gegner nicht gefaßt; Antigonos sah das Quirlen an Bord der Trieren. Außerhalb der Reichweite der Raben an Bug und Heck glitt die Pentere über die Ruder des linken Schiffs. Gätulische Bogenschützen und balliarische Schleuderer ließen einen Hagel von Pfeilen und Steinen auf die Römer niedergehen; zwei kleine schwenkbare Katapulte bestochen das Deck der Triere mit gehacktem Blei, scharfkantigen Steinen und Nägeln. Gleichzeitig schossen weitere Gätulier Brandpfeile auf das Schiff rechts von der Pentere. Alles dauerte nur Sekunden. Ein paar brennende Töpfe mit Pech, Öl und Harz flogen vom Heck auf den linken Römer, der ins Trudeln geraten war. Die Ruder der einen Seite waren zersplittert, die der anderen konnten nicht schnell genug die Arbeit einstellen. Überall flammten Brände auf.
Antigonos schloß einen Moment die Augen. An Bord des Schiffs mußte es nun fürchterlich aussehen und zugehen. Er bildete sich ein, das Schreien der Ruderer zu hören, die von den mit entsetzlicher Wucht hochschießenden Griffenden der zertrümmerten Ruder getroffen, zerschmettert, verstümmelt wurden.
Als er die Augen wieder öffnete, tauchten eben die Ruder der Steuerbordseite ein; die Pentere bremste ab, drehte beinahe auf der Stelle. Die Backbordruder senkten sich; vier – fünf – sechs mächtige Schläge, dann krachte der bronzene Bugsporn ins Heck des zweiten römischen Schiffs, auf dem es ebenfalls längst brannte. Der Rabe sauste herab, aber die Haken trafen nicht auf Holz, sondern auf die Bugverkleidung der Pentere, schrappten über Eisen, rutschten ab. Die punischen Ruderer stemmten sich gegen ihre Holmen, Ruderblätter droschen Gischt auf, die Schiffe ruckten und wankten, dann löste sich der Sporn. Die Pentere glitt rückwärts. Durch das riesige Leck strömte Wasser in die Triere und überflutete das untere Ruderdeck. Das Schiff sackte achtern ab.
Antigonos schaute sich um. Matrosen und Bogenschützen johlten. Der alte erfahrene Kapitän machte Luftsprünge; das Geräusch der Korksohlen auf den Planken war widerwärtig.
Der Steuermann fletschte die Zähne und verdrehte den Hals, um noch etwas zu sehen, und der punische Offizier hatte die Hände in die Bordwand gekrallt, trampelte auf der Stelle und schrie immer wieder: »Nachsetzen! Nachsetzen!«
Drei Trieren sanken, zwei weitere standen in Flammen. Zwei versuchten sich abzusetzen, aber fünf der Penteren verfolgten sie, holten sie ein, formierten sich zu einem Halbkreis. Antigonos wandte sich ab und zog den Lederschutz aus.
»Diese kleine Zerstreuung war nicht vorgesehen«, sagte der Kapitän. Er grinste. »Aber sie erhöht den Beförderungspreis nicht.«
Antigonos lächelte höflich. Er hatte für die Fahrt gezahlt und darauf verzichtet zu erwähnen, daß alle Schiffe, die das rote Auge des Melqart auf dem Segel führten, ihm gehörten. Der Kapitän hätte es dem Zwanzigjährigen auch kaum geglaubt.
Am späten Nachmittag, als sie Kap Qart Hadasht umschifften, riß die Wolkendecke auf. Die sinkende Sonne überzog das grüne Wasser mit einer Schicht wie von
Weitere Kostenlose Bücher