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Hanibal

Hanibal

Titel: Hanibal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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spüren. Durch seinen Kopf rasten Bilder, Sätze, ganze Unterhaltungen. Und Erinnerungen, die aus Bildern und Wörtern und Gerüchen und Empfindungen bestanden. Die Elefanten am Ufer des Taggo. Die Meuchelmörder im iberischen Qart Hadasht. Wind von den Schwarzen Bergen. Hasdrubal der Schöne und seine Verwaltung. Das lange Gespräch von vor drei Abenden, mit Hannibal, über den mittleren Bruder, den er seit elf Jahren nicht gesehen hatte, die Vorfreude, die Pläne, den Zug des vereinigten Heers.
    Um ins Zelt des Strategen zu gelangen, mußte er mit dem freien linken Arm eine Stoffbahn hochschlagen. Der rechte Arm war noch draußen, als Antigonos ins Innere blickte. Hannibal und Sosylos, umschienen von drei Fackeln und vier Öllämpchen, saßen mit tausend Rollen Papyros an dem kleinen Tisch. Der Stratege wandte dem Eingang den Rücken zu. Ungewöhnlich. Als ob er ahnte und nicht sehen wollte.
    Etwas, nicht Antigonos, sagte heiser: »Du läßt vornehme Feinde allzu ehrenhaft bestatten, Junge.« Es war eine sinnlose Bemerkung.
    Hannibal bewegte sich nicht. Sosylos schaute auf; sein Gesicht verfiel, als Antigonos ganz im Zelt war. Farbe und Fassung schwand aus den Zügen des Lakedaimoniers. Er hob die Hände, ließ den Schreibhalm fallen, murmelte auf Hellenisch: »Einst wird kommen der Tag, da das heilige Karchedon hinsinkt.« Wie blind stand er auf, drängte sich an Antigonos vorbei und stolperte aus dem Zelt.
    Hannibal drehte sich langsam um; sein Auge schien zusammengekniffen und gleichzeitig über alle Maßen groß. Der Körper krümmte sich: ein mit unsagbarer Wucht gespannter Bogen, der entweder unter der Spannung zerbrechen oder in der Befreiung bersten wird. Auf dem Tisch rollte sich unendlich langsam ein Papyros zusammen, kullerte über die Tischkante, tropfte zu Boden.
    Auf die leere Fläche stellte Antigonos das blutverkrustete Haupt des Hasdrubal Barkas. Er grub seine Finger in die Schultern des Strategen.
     
    ANTIGONOS KARCHEDONIOS, HERR DER SANDBANK, IM HAUSE DES WEIHRAUCHHÄNDLERS TAFUR, GERRHA, AN DIE HANDELSFÜRSTIN TOMYRIS, KITION AUF KYPROS
    Heil, Gewinn und Behagen, Herrin der Zwischenlager und Schiffe – o Tomyris: Greise sollten reisen; es weitet das Gemüt, dehnt die Fasern des Wahrnehmens, siebt das Erinnern und fördert die Hurtigkeit des Leibes. Noch immer ist Saft unter der alten Borke. Den Winter, sofern hier von einem solchen geredet werden kann, will ich teilweise an dieser heißen sandigen Küste verbringen. In den ersten Frühlingstagen hoffe ich, Laodikeia zu erreichen; ein Boot wird mich von Gerrha nach Charax bringen, den Euphrates aufwärts, dann die übliche Strecke zum Meer, mit Pferden oder einer Karawane. Wenn die Unbilden der Kriege und des Wetters es gestatten, wird Bomilkar um die Sommersonnenwende in Pelusion eintreffen. Die drei Monde und die Meilen dazwischen würde der alte punische Metöke gern auf deinem Schiff verbringen. Herrin meines Herzens, Gebieterin meines Gemächts, Gespielin des Nachtwinds, o Tomyris: Sollten die Winde, die Wellen und die Wechselfälle dawider sein, sorge dich jedoch nicht. Alte Männer finden immer eine wurmstichige Barke oder eine Hütte, in der verlauste Seeleute das Vergangene in Wein ertränken.
    Die neueren Fälle von hellenischem Wahnsinn haben immerhin in einem Fall sinnvolle Wirkungen. Der Friedensschluß des Philippos mit Rom, ohne Rücksicht auf seinen Vertrag mit Karchedon, die tyrannische Vormundschaft des Agathokles seit dem Tod des vierten Ptolemaios und die Wirren in Ägypten, all dies ist sinnlos und widerwärtig. Der Seleukide, der sich nun Antiochos der Große nennt, hat nach der Neuordnung seiner östlichen Reichsteile den von Alexandras geplanten Arabienzug ausgeführt; Gerrha ist tributpflichtig, Weihrauch erreicht nun durch das Arabische Meer die Euphratesmündung. Desgleichen Gewürze und Steine, Stoffe und Wissen aus Indien. Wir, die wir im Windschatten der Großen dümpeln, die uns keinen Raum zum Segeln lassen, können keinen Einfluß auf die Richtung ihrer und unserer Reise nehmen und haben uns von den Brocken Abfalls zu nähren, die ihre Köche über Bord werfen. Wir dürfen bisweilen ungehört zetern.
    Dies aber fällt für uns ab: Weihrauch und Gewürze. In Gerrha ist Weihrauch billiger als im Süden des Ägyptischen Meers, zumal nun, da die Flotte des Seleukiden die arabischen Seeräuber vernichtet hat, während andere unflätige Erheber von Zwangszöllen die enge Meerespforte südlich von Ägypten und Kusch

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