Hanibal
sich sammelten, zurückwichen, Reihen bildeten, aufschlossen, schwenkten. Das Gelände, übertürmt von Tausenden von Gefallenen, der Staub und das Gedränge verhinderten einen sofortigen Sturmangriff der punischen Truppen; die Kampfpause dauerte fast eine Stunde. Dann prallten die Heere wieder aufeinander – die nicht mehr so lange Reihe von Hannibals ebenfalls umgruppierten Kriegern und die Phalanx der Römer. In der verbissenen Schlacht taten sich nach und nach auf beiden Seiten Lücken auf; Punier und neue Söldner waren den Legionen unterlegen, Hannibals Kerntruppen aus dem langen Krieg zerbrachen die römischen Reihen, stießen durch, zertrümmerten die Phalanx, die längst wankte, aber noch nicht stürzte. Den velites gelang es, einige Lücken vorübergehend zu schließen; die meisten der Leichtbewaffneten waren jedoch mit der Abwehr der zurückkehrenden Elefanten beschäftigt.
Die Zeit entschied die Schlacht – die Zeit und Scipios schnelles Eingreifen, als die Umfassung gedroht hatte. Die einstündige Kampfpause mitten in der Schlacht brachte den Römern den Sieg, als Hannibals Unbesiegte ihn schon in den Händen zu halten schienen. Der Stratege hatte seinen zahlenmäßig unterlegenen Reitern befohlen, nach kurzem Gefecht zu fliehen und die Reitertruppen von Laelius und Masinissa möglichst weit wegzulocken. Nicht einmal die ganze Stunde Kampfpause – eine Viertelstunde weniger hätte genügt. Publius Cornelius Scipio war längst vom Pferd gestiegen und kämpfte zu Fuß, mit dem Schwert, um den Untergang vielleicht noch abzuwenden. Überall rissen die Reihen der Legionen auf; die Männer, die bei Cannae, am Trasimenischen See, bei Kroton und an vielen anderen Orten gegen die Väter gesiegt hatten, rangen nun auch die Söhne nieder. Antigonos hörte das Siegesgeheul der Iberer, sah aus dem Staub libysche Feldzeichen vorrücken. In diesem Moment kehrten Laelius und Masinissa zurück, mit noch immer fast achttausend Reitern; eine halbe Stunde, eine Viertelstunde später wären sie an den von Schwertern starrenden Vierecken der Sieger zerbrochen, nun zerbrachen sie den Rücken der beinahe Siegreichen.
Hannibal entkam; wie Antigonos später hörte, ritt er in achtundvierzig Stunden, ohne Rast außer zum Pferdewechsel, nach Hadrymes.
Publius Cornelius Scipio entging den Dingen nicht, die auch Hamilkar und Hannibal zermürbt hatten – Elend, Ekel, Würgen und Krankheit von Leib und Seele nach dem Blutbad. Er sagte nicht viel, und an den Hellenen gewandt überhaupt nichts, aber Antigonos las im Gesicht des Römers, daß er an diesem Tag zehn Jahre älter geworden war. Und daß er dieses wußte: In der Niederlage hatte sich der Gegner als der größere Stratege erwiesen; der Sieg, der Scipios Ruhm krönen und vollenden sollte, war ein Geschenk des Zufalls, des Glücks, der Zeit – einer Viertelstunde.
Eines blieb zu tun, und Antigonos beschloß, es schnell, leise und gründlich zu erledigen, ehe die Wirren endeten. Zahllose Menschen waren in Qart Hadasht gestorben oder verschwunden – Argiope wurde auf der Großen Straße von Plünderern erschlagen, von ihren Kindern hörte Antigonos nie wieder etwas –; da kam es auf einen mehr oder weniger nicht an. Fast wären es sehr viel mehr geworden; im Stab von Cornelius Scipio und seinen Beratern wurde erörtert, nach dem Sieg die Stadt Karthago doch zu belagern, zu erobern und zu zerstören, aber der Cornelier entschied sich dagegen. Noch hatten die Gegner einen Strategen, eine Flotte, Menschen und Geld; das Äußerste, die letzten Mittel, die sie dann sicherlich einsetzen würden. Der Römer beschloß, die Götter nicht noch einmal herauszufordern.
Es dauerte einige Zeit, bis der Waffenstillstand vereinbart wurde und Antigonos freikam. Die Bedingungen waren hart; ein Tribun erzählte dem Hellenen, der Barkide Giskon habe im Rat der Stadt Brandreden zur Fortsetzung des Kriegs gehalten, und Hannibal, zu Schiff von Hadrymes in die Hauptstadt gereist, habe den Schwätzer vom Rednerpult gezerrt. Danach kamen Gesandte unter Führung von Hasdrubal dem Bock. (»Er stinkt wie ein Bock, und er rammelt wie ein Bock, deshalb«, sagte der Tribun.) Der Waffenstillstand sollte drei Monde dauern und wurde von Scipio unter diesen Bedingungen gewährt: Karthago ersetzt den Schaden, der durch die Wegnahme der gestrandeten Schiffe während des früheren Waffenstillstands entstanden ist – fünfundzwanzigtausend römische Pfund Silber, etwa zweihundertachtzig Talente, zu
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